Was ist eigentlich Europa?
Zunächst einmal eine rund 10,5 Millionen km² große Landmasse, die westlich an Asienhängt und die sich derzeit 46 souveräne Staaten teilen. Etwa 700 Millionen Menschen leben hier.
Beim Blick in den Atlas erscheint Europa als Halbinsel Asiens, jedoch größtenteils als räumliche Einheit.
Europa eindeutig abzugrenzen fällt nicht nur Geografen schwer. Politiker machen es sich da etwas einfacher, die entscheiden einfach, wer zu Europa (EU) gehören darf und wer nicht. Dabei orientiert man sich in vielen Fällen nicht an der Geologie. Doch das ist ein anderes Thema. Hier bleiben wir ert einmal bei der Abgrenzung des Erdteils Europa.
Einigkeit besteht zumindest über das westliche, nördliche und südliche "Ende":
Der Atlantik bildet die Westgrenze des 'Kontinents'.
Der nördlichste Punkt liegt knapp vier Kilometer westlich vom Nordkap.
Im Süden trennt das Mittelmeer Europa von Afrika.
Bei der überwiegend östlichen Abgrenzung zu Asien geht der Streit schon los, denn im Laufe der Geschichte wurden mehrere Grenzen festgelegt.
Aber auch die scheinbare Einigkeit im Süden, Westen und Norden zeigt deutliche Störungen.
Was gehört noch zu Europa und was liegt schon weit außerhalb des 'Kontinents'?
Bei der Festlegung des Mittelpunkts von Europa, den man seit 1989 bei Purnuškės (54° 54′ 11″ Nord, 25° 20′ 28″ Ost) in Litauen suchen darf, hat man sehr großzügig gerechnet. Aber der Europa-Park bringt Touristen und .... Geld
Osten: Uralgebirge bei 67° 59′ 0″ Nord, 66° 10′ 0″ Ost -- weit im Nordosten, aber wie geht es im Südosten weiter?
Süden: Kanarische Inseln bei 27° 38′ 16″ Nord, 17° 59′ 12″ West -- das ist eindeutig Afrika, aber spanisches Staatsgebiet
Westen: Azoren bei 39° 27′ 0″ Nord, 31° 16′ 0″ West -- das ist fast schon Amerika, sie gehören aber politisch zu Portugal
Norden: Spitzbergen bei 80° 45′ 0″ Nord, 20° 35′ 0″ Ost -- das liegt weit nördlich vom Nordkap, wird aber von Norwegen verwaltet.

Einer der vielen Mittelpunkte Europas (hier: Europos Parkas, Lietuva)

Betrachtet man Europa, ist die Abgrenzung nach Westen ziemlich klar. Der Atlantische Ozean erscheint als natürliche Grenze. Dazu zählt man noch die vorgelagerten kleinen und großen Inseln, wie Großbritannien und Nordirland mit allen kleineren Eilanden, die auf dem Festlandsockel (Schelf) liegen. So ergibt sich eine eindeutige Linie vom Cabo de São Vicente (mit Bratwurstbude) bis nach Schottland einschließlich der Hebriden. Von da aus geht es weiter nach Norwesten Richtung Norwegen -- falls man nicht den Umweg über Island bevorzugt.
Als westlichster Punkt des europäischen Festlands gilt der 140 m hohe Cabo da Roca ca. 30 km entfernt von der Hauptstadt Lissabon bei Sintra.


Zu Portugal gehören aber auch Madeira und die Azoren. Die liegen deutlich westlicher. Jedoch liegt Madeira bereits auf dem afrikanischen Kontinentalsockel und die Azoren sind Teil des Mittelatlantischen Rückens, wobei die westlichsten Inseln Flores und Corvo geologisch bereits zur Nordamerikanischen Kontinentalplatte gehören. So finden einige ihren westlichsten Punkt Europas bei Faja Grande auf Flores.

Etwas weniger absurd ist es, wenn man Island noch zu Europa rechnet. Immerhin liegt der südöstliche Teil noch auf der Eurasischen Kontinentalplatte. Westlich davon beginnt schon die amerikanische Platte und an der Bruchkante der Platten brodelt es gewaltig aus vielen Vulkanen, Geysiren und heißen Quellen. Das Kap Bjargtangar in der Küstenlandschaft Látrabjarg auf Island ist der westlichste Punkt der Insel und gilt damit auch als der westlichste Punkt Europas -- großzügig betrachtet.

Ich habe gelesen von `Tearaght Island` bei Irland

Hoppla, jetzt habe ich danach gesucht und diese Insel und die Felsen davor tatsächlich gefunden bei 52° 4' 32.459" Nord und 10° 39' 40.619" West.
Das ist zwar nicht mehr Festland, aber gehört offensichtlich noch zum Festlandsockel. Die westlichste Felsen heißen Foze Rocks (auf dem Foto ganz rechts)

Sicht von Norden (von Inis Tuaisceart)

Selbst der Leuchtturm von Inishtearaght (Erbaut 1870) liegt noch westlicher als Cabo da Roca

Leuchtturm Inishtearaght (52° 04' 32.46" N, 10° 39' 40.62" W)

Noch einen dieser westlichsten Punkte Europas findet man auf der Kanareninsel El Hierro
Natürlich gehören die Kanarischen Inseln genau so wenig zum Kontinent Europa, wie die Azoren oder Island. Immerhin gehören sie als "Autonome Gemeinschaft Spaniens" zur EU.
In der Geschichte sah man das aber anders. Bereits für Ptolemäus/Πτολεμαῖος/Птолемей endete hier die Alte Welt, die damals mit dem Bild von Europa identisch war. Bei El Hierro (vormals Ferro, auch Isla del Meridiano) legte er den Nullmeridian fest, der erst ab 1883 durch den Nullmeridian von Greenwich abgelöst wurde.

Historischer Nullmeridian auf El Hierro (© Victor R. Ruiz)
Bei der zweiten Entdeckungsreise von Kolumbus war der letzte Hafen vor der Atlantiküberquerung El Hierro. Nach der Abreise von der Insel schrieb er in sein Bordbuch, dass er nun Europa verlassen habe. Für ihn war es damals der letzte und westlichste Punkt Europas!


Nullmeridian durch London-Greenwich (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Europas Nordgrenze
bietet den Betrachtern und Geografen viele Interpretationsmöglichkeiten.
Hier einige Punkte, die in unterschiedlicher Kombination die in eine Grenze eingebunden werden könnten:

Im Wesentlichen läuft die Nordgrenze Europas natürlich an der jeweiligen Küstenlienien entlang
und schließt ggf. Insen innerhalb des vorgelagerten Schelfs (Шельф) ein.

Aber welche Inseln darf man noch zu Europa rechnen?
Vielleicht sollte man den westlichen Teil der eurasischen Platte noch berücksichtigen?

Was alles zum Erdteil Europa gehört, löst seit Generationen heftige Diskussionen bei den Geografen aus.

Wie viele Punkte gibt es im Süden?

Da ist es nicht ganz so reichlich.
Aber auch da stellt sich die Frage, ob man das Festland zählt oder auch die Inseln und ganz verwegene zählen sogar die Kanaren noch zu Europa. Für mich ist das ganz eindeutig Afrika

Wer legt denn das fest, was nun richtig ist?

Interessant ist vielleicht, dass die Orientierung nach dem Nullmeridian bei "Ferro" bis zur Jahrhundertwende um 1900 noch auf vielen Karten zu finden war.
Das hatte nicht nur historische Gründe. Immerhin hatten alle Orte in Europa positive Werte für den Längengrad, lagen also alle östlich von Ferro.
Auch nach Umstellung der Kartenwerke wurde der Nullmeridian von Ferro innerhalb der Vermessungsverwaltungen meist noch weiter verwendet.
In Deutschland wurde der Nullmeridian von Ferro im Rahmen der Vorbereitungen zum Übergang der Landesvermessung auf Gauß-Krüger-Koordinaten 1923 durch den von Greenwich ersetzt. Dazu wurde von den bisherigen Längenwerten der gerundete Wert von 17° 40' abgezogen, um den bisherigen Blattschnitt der topografischen Karten beibehalten zu können.
Die österreichische Landesvermessung beruhte bis 2010 auf dem Nullmeridian von Ferro. Die Umrechnung zu Greenwich-Längen erfolgte ebenfalls mit dem international genormten Wert von 17° 40' 00" statt des genaueren Werts 17° 39' 46,02''. Fundamentalpunkt im Vermessungsnetz Österreich-Ungarns wart der Hermannskogel an der Grenze zwischen Wien und Niederösterreich. Habsburgwarte auf seinem Gipfel hatte bis 1918 die gleiche Funktion wie der Rauenberg in Berlin.
Hermannskogel/Wien
Rauenberg/Berlin