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Eine Liebe in Berlin

11.10.15 08:59
Re: Eine Liebe in Berlin
 
regrem патриот
в ответ regrem 07.10.15 20:04, Последний раз изменено 11.11.15 07:14 (regrem)
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Clementine Hergert hatte keine Vorstellungen von der Gemütslage ihres Vetters. Sie nahm es als selbstverständlich an, dass er sich so sehr nach ihr sehnte wie sie nach ihm, wenn auch auf sachlichere, männlichere Art. Für sie hatte das gemeinsame Erlebnis der Silvesternacht eine besondere Bedeutung gehabt: Es hatte sie dem Ziel ihrer Wünsche sehr nahe gebracht, und sie fühlte sich seither dem Mann, den sie liebte, noch tiefer verbunden.
Sein Kuss — es waren, genau gerechnet, ja sogar zwei gewesen, einer um Mitternacht, der andere zum Abschied — besiegelte für sie die heimliche Verlobung.
Sie lief beschwingt durch die Thielemannsche Villa, treppauf, treppab, und musste an sich halten, um nicht den ganzen Tag vor sich hin zu trällern. Sie alberte mit ihren Schützlingen und konnte sich, selbst wenn sie ungezogen waren, nur mühsam zur Strenge zwingen. Noch nie war ihr die Erfüllung ihrer Pflichten so leichtgefallen. Sie war glücklich und strahlte das Glück, das sie empfand, auf ihre Mitmenschen aus.
Mit neuerwachter Eitelkeit stand sie vor dem Spiegel, betrachtete sich kritisch und versuchte ihr Aussehen zu verbessern. Sie wollte schön sein für Justus Weigand, dem zu begegnen sie jedes Mal gefasst war, sooft sie mit den Kindern zu einem Spaziergang das Haus verließ.
Die Hausherrin beobachtete Clementines Veränderung mit mütterlichem Verständnis und ganz ohne Beunruhigung und Misstrauen, denn sie zweifelte nicht daran, dass es Justus Weigand war, der solchen Einfluss ausübte.
»Sind Sie sicher, dass der junge Mann ehrliche Absichten hat, Clementine?« fragte sie einmal.
Das Mädchen errötete, »Ganz sicher, gnädige Frau.«
»Nun, ich freue mich, dass Sie glücklich sind, Clementine. Allerdings hoffe ich, dass Sie uns nicht zu bald verlassen.«
»Ganz bestimmt nicht«, versicherte Clementine, »an eine Heirat ist in den nächsten Jahren noch nicht zu denken. Justus muss erst seine Prüfungen machen und sich eine Existenz aufbauen.«
»Das freut mich für die Kinder, sie haben sich sehr an Sie gewöhnt.«
»Danke, gnädige Frau, ich habe sie auch sehr liebgewonnen.«
Frau Thielemann überlegte, dass Clementine mit ihren zweiundzwanzig Jahren eigentlich schon ein altes Mädchen
war und es sich kaum erlauben durfte, die Eheschließung noch allzu lange hinauszuschieben. Aber sie verschwieg ihre Bedenken. Sie wollte Clementine nicht verletzen und verbot es sich, allzu tief in das Privatleben des Mädchens einzudringen.
Auch Otto Thielemann war nicht unempfindlich für das Strahlen, das von Clementine ausging. In der Silvesternacht, als sie Justus Weigand erwartete, war ihm zum ersten mal aufgefallen, dass auch dieses herbe Mädchen einen starken Reiz von einer Art besaß, für den er besonders empfänglich war. Seitdem beobachtete er sie mit wachsendem Interesse, das er allerdings vor seiner Gattin gut zu verbergen wusste.
Doch wenn er mit Clementine allein war - und er suchte in letzter Zeit solche Gelegenheiten immer häufiger und wusste sie geschickt herbeizuführen -, machte er aus seiner Anteilnahme kein Hehl. Er sah sie aus seinen eng beieinanderliegenden, stechenden Augen so lange und intensiv an, bis sie verlegen wurde und den Blick senken musste; dabei verzog sich sein sehr roter, feuchter Mund unter dem schmalen Schnurrbart zu einem seltsamen Lächeln. Er machte ihr Komplimente und ließ anzügliche Bemerkungen fallen, versuchte auch bisweilen, den Arm um ihre Taille zu legen, was sie jedoch, geschickt ausweichend, zu vermeiden verstand. Er verfolgte und belästigte sie auf eine plumpe und lüsterne Art, die sie abstieß, verwirrte und ihr doch auch wieder schmeichelte.
Eines Nachmittags - Mitte Februar - war Frau Thielemann mit den Kindern einer Geburtstagseinladung gefolgt. Clementine benutzte die Gelegenheit, um ihre und die Unterwäsche ihrer Zöglinge zu plätten. Das Bügelzimmer befand sich im Erdgeschoß des Hauses, gleich neben der großen Küche, und Clementine und Mamsell Auguste, die an dem freistehenden Herd das Abendessen bereitete, warfen sich während der Arbeit immer wieder ein paar Worte zu.
»Es hat geklingelt!« rief die Mamsell durch die geöffnete Küchentür herüber.
»Na, dann öffnen Sie doch«, gab Clementine zurück, die nichts anderes glaubte, als dass das Schrillen der Glocke, das auch sie jetzt hörte, von der Haustür käme.
»Nein«, sagte die Köchin, »der Herr hat geklingelt. Aus dem Schlafzimmer.«
Clementine lief, das Bügeleisen in der Hand, in die Küche. Es gab in der Villa seit neuestem eine elektrische Klingelanlage, die jedes Zimmer der oberen Räume mit einem rechteckigen schwarzen Kasten verband, auf dem von einzelnen Täfelchen abzulesen war, von wo Hilfe gewünscht wurde.
Mamsell Auguste hatte recht gehabt: das Täfelchen mit der Aufschrift »Elternschlafzimmer« leuchtete.
»Was machen wir nun?« fragte die Köchin und stemmte die Hände in die Hüften. »Rosa ist noch schnell zum Einkaufen gelaufen.«
»Na, zuerst würde ich das Signal abstellen«, rief Clementine. Mamsell Auguste näherte sich nur zögernd dem schwarzen Kasten, über welchem die Klingel immer noch schrillte. »Also, ich weiß nicht«, sagte sie, »ich mag das unheimliche Ding nie anfassen. Das ist doch Teufelswerk, Elektrizität... jeder weiß, wie gefährlich das ist. Es soll Häuser geben, wo sie mit Elektrizität sogar die Zimmer beleuchten, aber ich sage immer...«
»Sie haben Angst«, erklärte Clementine lachend. »Aber dazu ist überhaupt kein Grund vorhanden.« Sie stellte ihr Bügeleisen auf eine Ecke der Herdplatte, schob den kleinen Hebel an der Signalanlage zurück, und das Schrillen der Glocke verstummte.
»Und nun?« fragte Mamsell Auguste.
Clementine zuckte mit den Schultern. »Wenn Rosa nicht da ist, werden Sie wohl selbst hinauf müssen.«
»Ich? Nein! Das kommt nicht in Frage!« Mamsell Auguste trommelte mit allen Fingern der rechten Hand auf den Küchentisch. »Ich bin nur für die Küche da. Das habe ich auch der gnädigen Frau gesagt - nur für die Küche!«
»Dann muss Herr Thielemann eben warten«, erklärte Clementine gleichmütig, besann sich aber, noch ehe sie es ganz ausgesprochen hatte, eines anderen und fügte hinzu: »Ach was, ich laufe rasch nach oben und frage, was er will. Sonst muss es doch wieder die gnädige Frau ausbaden.«
Sie drückte der Köchin das Bügeleisen in die Hand, den hölzernen Griff nach vorn, eilte, ohne die große weiße Leinenschürze abzunehmen, zur Tür, lief die Hintertreppe zur Diele hinauf und dann weiter über den Vorderaufgang zum Schlafzimmer.
Die Tür war nur angelehnt. Clementine klopfte trotzdem.
»Herein«, forderte sie die helle, ein wenig belegte Stimme des Hausherrn von drinnen auf.
Eine Sekunde lang fühlte sich Clementine beklommen. Dann aber stieß sie mit energischem Ruck die Tür auf und trat ein.
Otto Thielemann stand in einem seidenen, türkisch gemusterten Morgenrock vor dem Spiegel und bearbeitete mit einer Haarbürste sein pomadenglattes, lackschwarzes Haar. Er drehte sich nicht einmal um, als Clementine auf der Schwelle erschien, und unwillkürlich kam sie einige Schritte näher.
»Sie haben geklingelt?« fragte sie und kam sich dabei ziemlich töricht vor.
»Wahrhaftig, das habe ich«, bestätigte Otto Thielemann und lächelte seinem Spiegelbild zu.
»Darf ich fragen, was Sie wünschen?«
»Seien Sie so freundlich und lassen Sie mir ein Bad ein.«
Clementines noch vom Bügeln erhitzte Wangen wurden um noch eine Nuance röter. »Das«, sagte sie, »gehört nicht zu meinen Obliegenheiten.«
Jetzt endlich wendete er sich um. »Ah, wirklich nicht?« Er tat einige Schritte auf sie zu.
Sie sah mit entsetzter Faszination, dass der Morgenrock, der sich beim Gehen öffnete, seine gelblichen, leicht gebogenen Männerbeine freigab; offensichtlich trug er nicht einmal eine Unterhose.
Beinahe hätte sie sich umgewendet und wäre geflohen. Aber sie wollte sich, keine solche Blöße geben; sie glaubte schon, sein faunisches Gelächter zu hören, mit dem er sie verfolgen würde, und fürchtete, dass Flucht sein böses Gefühl von Überlegenheit noch stärken würde.
So blieb sie stehen, starr und mit verkrampften Muskeln, und zwang sich, ihm in die Augen zu blicken. »Nein«, sagte sie, »ich bin nur für die Kinder da«, und musste dabei an die so häufig vorgebrachte Erklärung Mamsell Augustes — »... nur für die Küche« — denken und wurde noch unsicherer. »Wenn Sie ein Bad wünschen«, sagte sie und hatte ihre Stimme nicht mehr ganz in der Gewalt, »müssen Sie auf Rosa warten. Sie ist nur eben zum Einkaufen gegangen und wird gleich wieder hier sein.«
Er kam noch einen Schritt näher. Der scharfe Geruch seines Körpers, gemischt mit dem süßlichen Duft der Pomade, die er zu benutzen pflegte, stieg ihr in die Nase.
»Und wenn ich mir nun etwas ganz anderes wünschte?« Er lächelte mit verzerrten Lippen, und Speichel sammelte sich in seinen Mundwinkeln. »Sieh mich nicht so unschuldig an, du weißt genau, was ich meine, und du wünschst es dir ja auch!«
»Bitte!« stieß Clementine heraus und hörte selbst voll Entsetzen, dass ihre Stimme kaum mehr als ein Krächzen war. »Bitte! Lassen Sie mich gehen!« Sie wollte fliehen, aber ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr; Bleigewichte schienen an ihren Füßen zu hängen.
Er hob seine Hände. Sie glaubte, dass er sie packen wolle, und wich zur Seite. Aber er hatte etwas ganz anderes vor. Mit einem Satz war er bei der Tür, drehte den Schlüssel um, zog ihn heraus und ließ ihn in die Tasche seines pflaumenblauen Morgenrocks gleiten.
»Nein!« stammelte sie. »Nein! Das dürfen Sie nicht tun!«
Er wandte sich ihr wieder zu, immer noch dieses fatale Grinsen um die Lippen; seine Augen glitzerten. »Du wirst doch keine Angst haben«, sagte er, »ein so großes Mädchen wie du? Tu doch nicht so, als ob du es noch nie gemacht hättest! Na, komm schon, stell dich nicht so an!« Blitzschnell griff er zu und packte ihr Handgelenk.
Sie setzte sich verzweifelt zur Wehr. »Lassen Sie mich!«
Es gelang ihr nicht, sich loszureißen, aber sie war stark genug, sein ursprüngliches Vorhaben zu vereiteln; ihr Widerstand machte es ihm unmöglich, sie zu den Ehebetten zu zerren.
Er gab überraschend auf und überrumpelte sie, indem er sie plötzlich in die andere Richtung drängte, gegen die hintere Wand des Zimmers, gerade dorthin, wo Toilettentisch und Kleiderschrank eine Art Nische bildeten. Hier stand sie nun eingekeilt. Seine rechte Hand umklammerte noch immer mit schmerzhaftem Griff ihr Gelenk, die linke legte sich besitzergreifend auf ihre Brust, und durch das dichte Gewebe ihres Kleides spürte sie den feuchten, lüsternen Druck bis auf die Haut. Sie sah an sich herab, und seine gelben, haarigen Finger waren wie ein riesiges Insekt, das sich an ihr festsog.
Sie hätte sich zur Wehr setzen können — aber sie stand wie gelähmt. In ihre tiefe und ehrliche Abscheu mischte sich ein nie gekanntes, peinigendes Gefühl der Lust.
Doch das war nicht der Grund, warum sie sich nicht mit allen Kräften verteidigte. Sie war sich zu gut der Konsequenzen bewusst, die entstanden wären, wenn sie den Hausherrn geschlagen, getreten oder auch nur beleidigt hätte. Ohne Schwierigkeiten hätte er einen Vorwand gefunden, sie vor seiner Frau schlechtzumachen und auf die Straße zu setzen. Nach diesem Hinauswurf wären ihr aber auch die Türen aller anderen guten Berliner Häuser für immer verschlossen gewesen.
So flehte sie nur: »Bitte, bitte, lassen Sie mich los... lassen Sie mich gehen!« und spürte mit wachsender Verzweiflung, dass ihr Widerstand ihn nur noch mehr erregte.
Sein Atem ging in kurzen, keuchenden Stößen, Schweiß perlte ihm von der Stirn, und seine kleinen Augen waren blutunterlaufen. Sie spürte den harten Druck seines Geschlechts gegen ihren Leib; er wollte ihre Hand nach unten zwingen.
»Nein!« Plötzlich hatte ihre Stimme wieder Kraft. »Sie dürfen das nicht tun! Denken Sie an Ihre Frau! Wenn Sie mich nicht sofort loslassen, schreie ich!«
Er lachte und bewegte die Hüften. »Du möchtest wohl, dass uns alle so sehen, ja?«
»Sie... Sie Ungeheuer!« Ihr Stoß mit dem Knie blieb ohne Wirkung.
Sein verzerrter Mund, seine heißen, sabbernden Lippen waren ganz dicht vor ihr. Sie sah die raschen, obszönen Bewegungen seiner roten Zungenspitze, die durch die Zähne schnellte.
Ihre ängstlichen Bedenken wurden von einer einzigen wilden Welle der Abwehr hinweggeschwemmt. Sie holte tief Atem, schloss die Augen und sammelte all ihre Kräfte, um ihn von sich zu stoßen, ohne Rücksicht auf das, was folgen würde, selbst wenn es ihr Leben kostete — das Maß dessen, was sie an Demütigung und Beschämung vor sich selbst ertragen konnte, war überschritten.
Es dauerte Sekunden, bis ihr eine kalte, klare Stimme, die auf einmal im Zimmer war, ins Bewusstsein drang.
»Entschuldigen Sie, bitte, die Störung...«
Clementine riss die Augen auf und sah Rosa Janowitz mit versteinertem Gesicht mitten im Zimmer stehen.
Otto Thielemann hatte noch nicht bemerkt, dass sie nicht mehr allein waren. In einer Art Raserei versuchte er, Clementine seinen Willen aufzuzwingen und sie seinen Trieben gefügig zu machen; blind und taub vor Leidenschaft drang er auf sie ein.
»Herr Thielemann«, sagte Rosa Janowitz mit erhobener Stimme, »Sie hatten geläutet!«
Clementine spürte, wie er an ihr schlaff wurde und von ihr abglitt. Er schwankte, drohte zu Boden zu sinken, aber sie dachte nicht daran, ihm Halt zu geben.
Ganz langsam, wie ein kraftloser Kreisel, drehte er sich zu dem Stubenmädchen um. »Du bist es, Rosa? Das hätte ich mir denken können...«
Rosa Janowitz stand hoch aufgerichtet; ihre schwarzen Augen waren stumpf und ausdruckslos. »Sie sollten Ihren Morgenrock schließen, Herr Thielemann«, sagte sie tonlos, »Sie könnten sich sonst erkälten.«
Otto Thielemann ließ sich in den schweren, mit rotem Samt überzogenen Sessel sinken. »Raus!« stöhnte er. Und dann brüllte er: »Raus, raus, raus! Alle beide! Ich will euch nicht mehr sehen! Ihr Säue, ihr Huren, ihr geilen Frauenzimmer ...«
Clementine stürzte zu der Tür, die auf die Galerie führte. Erst im Laufen fiel ihr ein, dass Otto Thielemann ja abgeschlossen hatte. Sie wandte sich um, sah Rosa Janowitz im Bad verschwinden, begriff erst jetzt, dass sie auch auf diesem Weg ins Schlafzimmer gekommen sein musste, und eilte ihr nach.
Die wüsten Flüche des Hausherrn verfolgten sie bis auf die Galerie hinaus.
Die beiden Frauen rannten die Treppe hinab und hielten erst inne, als sie das Souterrain erreicht hatten. Dann blieb Clementine atemlos stehen und klammerte sich an das Geländer. Sie blickte an sich herab, überzeugt, dass der lüsterne Zugriff des Hausherrn sichtbare Spuren hinterlassen haben müsse. Aber ihre weiße Leinenschürze war so fleckenlos wie zuvor.
Mit beiden Händen fuhr sie sich in das schwere Haar, tastete nach den herausgerutschten Nadeln, steckte sie fest. »Du darfst nicht glauben, Rosa...«
Das Mädchen ließ sie nicht aussprechen. »Mir brauchen Sie doch nichts zu erklären, Fräulein«, sagte sie, »ich weiß Bescheid.«
Dennoch hatte Clementine das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. »Ich habe das nicht gewollt, Rosa, wirklich nicht! Ich konnte nichts dafür.. .« Ehrlich wie sie war, verbesserte sie sich: »Oder doch! Ich habe, mich dumm benommen. Ich hätte auf der Hut sein müssen.«
»Sie verstehen von diesen Dingen eben nichts, Fräulein!« Rosa zuckte mit den kräftigen Schultern.
»Ach was, schließlich bin ich kein Kind mehr!«
»Lassen Sie es nur gut sein, in manchen Dingen sind Sie ahnungsloser als ein Kind.«
»Ein verheirateter Mann«, sagte Clementine, immer noch erschüttert, »wie hätte ich da annehmen können. ..«
»Die sind die schlimmsten«, erklärte Rosa Janowitz verächtlich.
»Aber ausgerechnet Otto Thielemann Wo er doch eine so gute und schöne Frau hat!«
»Vielleicht ist sie zu gut für ihn«, meinte Rosa Janowitz, »und die Schönheit hat mit solchen Sachen gar nichts zu tun.«
»Nicht?« fragte Clementine erstaunt. »Du meinst, es ist nicht wichtig, ob ein Mädchen schön oder nicht schön ist?«
»Dafür nicht«, sagte Rosa Janowitz, und in ihrer Stimme war eine große Bitterkeit.
Clementine strich ihre Schürze glatt. »Jedenfalls werde ich mich in Zukunft in acht nehmen.«
»Tun Sie das, Fräulein, denn immer werde ich ihnen auch nicht helfen können.«
Clementine hatte sich schon halb zum Gehen gewandt; jetzt blieb sie stehen. »Ja, glaubst du denn, er wird es noch einmal versuchen?«
»Und ob er das wird! Ein alter Kater wie der, der lässt das Mausen nicht, wenn man ihm nicht ganz fest auf die Pfoten klopft.«
»Rosa«, sagte Clementine, »ich kann mir keinen Krach erlauben...«
»Wer könnte das schon?«
»Bitte, lass mich nicht im Stich! Verhindere, dass ich mit ihm allein zusammen bin, kümmere dich um mich!«
»Ich tue, was ich kann, Fräulein, das ist doch selbstverständlich. Ich habe nicht vergessen, was ich Ihnen schuldig bin«, antwortete ihr Rosa.
Diese Erklärung beruhigte Clementine ein wenig, aber doch nicht genug, um ihren Seelenfrieden wiederherzustellen. Von einer Stunde zur anderen waren viele Begriffe für sie fragwürdig geworden, die sie bisher als völlig gesichert angesehen hatte.

 

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