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Lesen Die geistlichen Briefe

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regrem патриот03.08.18 19:13
NEW 03.08.18 19:13 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 10:29 (regrem)

Über das Beten

ICH DENKE GERADE ÜBER GEBETE NACH. Über neue, frische, „hausgemachte" Gebete. Originale. Gebete, die, während man sie spricht, eine eigene Dynamik entwickeln und weitersprudeln wie ein Wasserfall. Manchmal bestehen sie aus ganzen Sätzen, manch­mal nur aus einzelnen Satzteilen oder Worten. Manchmal sind sie ein bloßes Seufzen, ein Gefühl in meiner Brust, ein Lachen.


Betest du auch gerne so? Im Plauderton, von einem Thema zum anderen springend, wie im Selbstgespräch, obwohl du natürlich weißt, dass es kein Selbstgespräch ist? Ich liebe Gebete, die wie Rätsel er­scheinen, wie Gedichte - Gebete, die man sich, würde man sie drucken, gut als Poster an die Wand hängen könnte. Doch manchmal sind mir die Gebete am liebsten, die sich über sämtliche Regeln der Inter­punktion, der Grammatik und des Satzbaus hinwegsetzen. Über diese Art von Gebeten möchte ich dir heute schreiben.


Heute wachte ich um zwei Uhr morgens auf. Zuerst konnte ich nicht mehr einschlafen, und irgendwann wollte ich auch nicht mehr schlafen. Ich betete bis drei, dann bis vier Uhr. Die Uhr schlug und schlug, ich betete weiter wie ein Wasserfall. Erinnerungen kamen, und ich dankte, bat, hörte, plante. Mein Gebet war sehr emotional und erfüllt von Gedanken an gute Freunde. Alles, was mir wichtig war, brachte ich vor Gott, mit Worten, wie sie mir gerade über die Lippen kamen. In der zweiten Stunde meines nächtlichen Wachseins schlief ich betend ein.


Meine intensivsten Gebete entstehen oft in der Nacht. Die Nacht ist die Zeit der tiefen, persönlichen Gespräche.


Dieses „Zwei-Uhr-morgens-Gefühl" hatte ich auch als Kind, wenn Mutter und ich montags, an ihrem Waschtag, unsere Zwiegespräche führten. So plauderten und diskutierten wir in dem kleinen Wasch­haus, während das Wasser kochte und der Duft von Mutters selbst gemachter Laugenseife den Raum erfüllte. Begleitet vom Summen der alten Waschmaschine mit Handschleuder führten wir ernste Gespräche.


Betest du auch manchmal ohne Punkt und Komma, wie ein Wasserfall? Wachst du nachts auf und betest? Schläfst du auch manch­mal betend ein? Bitte erzähl mir, wie du betest.


Ich bin ein Träumender.

Bete weiter.

#41 
regrem патриот03.08.18 19:13
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in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 10:31 (regrem)

Das Geschenk eines Lächelns

Während ich mich von einer Krankheit erhole, schaue ich in den Spiegel und frage mich, wie ich aussehe. Ich stel­le fest, dass ein Lächeln über meine Lippen huscht. Wünschst du dir auch manchmal, du könntest öfter lächeln? Ich wünsche es mir oft. Es kommt vor, dass ich froh und dankbar bin und es doch nicht zeigen kann. Kannst du das verstehen?


Manchen Menschen fällt es leichter, ihre Dankbarkeit zu zeigen. Eine Arbeitskollegin hat ausgeprägte Lachfältchen, die ihre Mundpartie umspielen. Ich hielt sie zunächst für Grübchen, jene Linien, die das Lächeln im Laufe der Jahre in ihr Gesicht eingraviert hat.


Ich glaube, dass diese Kollegin - falls sie jemals ärgerlich wird -dem Ärger mit einem Lächeln den Wind aus den Segeln nimmt.

Manchmal nenne ich sie zum Spaß „Sonnenschein". Die Spuren ihres Lächelns haben ihrem Gesicht eine besondere Note verliehen.


Von Zeit zu Zeit sage ich mir selbst: „Du bist glücklich. Zeige es doch!" Dann muss ich mir einen Ruck geben, damit die Worte über meine Lippen kommen, die sonst in meinem Inneren versiegen würden. Zeige heute deine Lachfältchen. Nimm bewusst wahr, an welchen Stellen sie sitzen. Meine Gesichtszüge sind oft nachdenklich, grüblerisch oder erstaunt. Selbst wenn ich innerlich froh und heiter bin, sieht man es mir nicht unbedingt an.


Bei der Frau, die ich „Sonnenschein" nenne, kommt das Lächeln aus tiefstem Herzen, und die Mimik des Lächelns hat ihren Gesichts­ausdruck geprägt. Die Lachfältchen in ihrem Gesicht haben ihren Ursprung in der Tiefe ihrer Persönlichkeit. Mein Lächeln dagegen ver­steckt sich manchmal ganz tief im Inneren. Heute wünsche ich mir, dass meine innere Fröhlichkeit auch nach außen strahlen kann. Während ich diese Zeilen schreibe, spüre ich, wie sich in meinem Inneren ein Lächeln ausbreitet. Und nun lächle ich auch äußerlich. Ich danke dir.


Ein fröhliches Herz hat eine heilsame Wirkung. Gott schenkte uns die Gabe des Lächelns. Unser Lächeln macht uns schön.


Übrigens, ich mag dein Lächeln.

#42 
regrem патриот03.08.18 19:13
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in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 10:33 (regrem)

Im Gebet vereint

Du sagst, wir seien so weit voneinander entfernt - 2000 Meilen. Wenn ich mir vorstelle, diese Strecke im Auto zurücklegen zu müssen, kommt es mir wirklich weit vor.


Bist du früher auch quer durch das Land gefahren, und die vorbei­fliegenden Telegrafenmasten am Straßenrand gaben den Takt an wie ein Metronom? Wir scheuten die Entfernungen nicht, sie gehörten zum Abenteuer der Reise. Ich freute mich, wenn ich das Ziel erreichte, doch ich genoss es ebenso, unterwegs zu sein.


Du hast Recht. In Zeiten der Krankheit scheint die Entfernung, die uns von Freunden trennt, noch größer.


Doch glaube mir, wir brauchen nicht tagelang zu fahren, um uns zu treffen. Wir sind schon am Ziel. Die Zeit, die wir auf der Straße zubringen würden, können wir zusammen verbringen. Ich bin bereits bei dir.


Entfernung und Zeit haben etwas Magisches. Sie sind flüchtiger als Wasser und dehnbarer als Gummi. Glaube mir, ich bin bei dir. Und du bist hier bei mir. Was immer du sagen willst, ich kann es hören. Was immer du tun willst, ich kann dir dabei helfen. Es gibt eine Straße, die schneller ist als jede Autobahn, und eine Flugroute, die schneller ist als der Jetstream. Unsere Verbindungswege sind geistiger Art.


Wir folgen einer geistigen Reiseroute, durch Gebet miteinander verbunden. Ohne Straßensperren, Schlaglöcher, Umleitungen und Stoppschilder. Wir können uns überall unterwegs treffen. Du und ich können an fünf verschiedenen Orten gleichzeitig sein, zusammen lachen und uns austauschen, im Geist vereint. Wir können die Augen schließen und die Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart teilen -obwohl uns 2000 Meilen trennen.


Nun, seit ich dich besser kennen gelernt habe, kann ich zusammen mit dir all die Orte besuchen, von denen du mir erzählt hast, in denen du gewohnt, gelacht und gesungen hast. Ich bin bei dir. Das möchte ich dir heute versichern. Vergiss es nie.


Und vergiss nicht, dass es noch jemanden gibt, der uns auf dieser Reise begleitet.


Denn Gott sagt: „Ich bin bei euch alle Tage."

#43 
regrem патриот03.08.18 19:13
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in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 10:35 (regrem)

Herz und Verstand

Du fragst, ob bei mir Herz und Verstand jemals im Wider­streit stehen, sich erhitzen, Funken sprühen. Oh ja. Das tun sie sehr wohl. Ist dies der Fall, versuche ich in Worte zu fassen, was ich angesichts meiner Gedanken empfinde und wie ich über meine Gefühle denke.


In diesem Brief möchte ich gern zwischen Denken und Fühlen eine Brücke schlagen.


„Sie haben Krebs", sagte der Arzt zu mir. Augenblicklich wurde ich von Angstgefühlen überrollt. Ich war bestürzt und verstört, wusste nicht, was ich sagen sollte. Meine Gedanken griffen nicht mehr ineinander, drehten sich im Leerlauf. Gefühle brachen auf, gipfelten im Chaos und malten in meinem Inneren ein Bild wie ein dichtes, zum Leben erwach­tes Wandgemälde. Meine Gedanken verschmolzen zu einem riesigen, verwischten Ölbild, frisch und nass, bei dem die Farben zerflossen und wild durcheinander liefen. Meine geistige Leinwand drehte sich, meine Gedanken verschwammen. Ich griff nach dem rotierenden Bild und hielt es fest. Ich hielt mich selbst fest, schaute mich an: Mein Äußeres war ein Spiegel jenes chaotischen inneren Bildes.


Dann trat jemand zu mir in dieses Chaos hinein, hielt mich fest, flößte mir Ruhe ein. Gemeinsam schauten wir das Krebs-Bildnis an. Wir schwiegen. Es bedurfte keiner Worte. Der wilde Strudel der Farben kam zum Stillstand. Konturen wurden sichtbar. Meine Anspannung ließ nach. Ich spürte Frieden. Das Leben erschien mir wieder lebens­wert.


Als der Arzt sagte: „Sie haben Krebs", wirbelte meine Seele durch­einander wie eine Feder im Sturm. Mein Blick war verzerrt. Ich ließ alles los. Ich befand mich im freien Fall, doch in einer merkwürdigen Hochstimmung. Ich wusste: Ich bin sterblich. Ich fühlte: Ich bin sterb­lich. Doch gleichzeitig wusste und fühlte ich: Ich bin unsterblich. Ich fiel in Gottes Hand. Flüsternd wiederholte ich: „Ich habe Krebs." Es war eine Tatsache, die mich von nun an beschäftigen und mein Denken und Fühlen beeinflussen würde und mit der ich leben musste.


Wenn du Worte zu hören bekommst, die du schon immer gefürchtet hast, dann wünsche ich dir einen freien Fall - freudig, tollkühn und hoffnungsvoll - in Gottes ausgestreckte Hand. Wenn wilde Farben in deinem Inneren bersten, dann mögen sie zu einem Regenbogen werden.


Meine Gedanken sind bei dir, und ich fühle mich dir nahe.

#44 
regrem патриот03.08.18 19:14
NEW 03.08.18 19:14 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 10:37 (regrem)

Lachen ist Medizin

Danke, dass du mich an unser letztes Zusammentreffen er­innert hast. Ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß wir hatten, bis du erwähntest, wie viel wir gelacht haben. Und Lachen ist Medizin.


Vorhin hatte ich einen Termin beim Arzt. Eine Untersuchung bei meinem Hausarzt ist immer mit einer angeregten Unterhaltung ver­bunden. Heute erzählte er mir von einer Art natürlicher Medizin, aus Enzymen bestehend, die das menschliche Gehirn ausschüttet. Lange vor unserer Geburt, als wir noch im Mutterleib geborgen waren, bildeten sich diese Stoffe in unserem Gehirn. Enzyme können durch den Blut­strom zu den Nervenenden gelangen und Körperzellen heilen. Wir haben den Schlüssel zu unserem inneren Medizinschränkchen in der Hand. Er besteht aus den Gedanken, die wir denken, und den Worten, die wir wählen.


Diese Medizin ist immer verfügbar. Wir können sie durch ein herz­liches Lachen freisetzen, durch ein Lied, ein Lächeln, durch positive Ge­danken, durch Pfeifen oder Summen unserer Lieblingsmelodie. Freude bringt die Medizin in Fluss. Innerhalb von Sekunden strömt Heilung durch unseren Körper. Wir alle haben Zugang zu dieser körpereigenen Medizin.


Manchmal ergreift mich bei den Nachrichten eine Mischung aus Erschütterung und Staunen, wenn ich sehe, wie hungernde Kinder lächeln, wenn sie etwas zu essen bekommen. Auf einmal können sie wieder lachen und spielen, ihre Gesichter spiegeln die Freude wider. Und während sie sich freuen, setzt in den kleinen Körpern ein Heilungsprozess ein. Genauso geht es dir und mir. Wir lachen und das Medizinschränkchen öffnet sich.


Ich möchte dir heute folgendes Rezept mitgeben: Einmal täglich herzlich lachen und etwas tun, das dir Spaß macht. Gönne dir etwas Schönes. Lache über einen guten Witz oder höre gute Musik. Summe ein Lied. Lächle. Ich glaube, dass ich deshalb noch lebe, weil die Lach-Enzyme in mir so oft freigesetzt wurden.


Als ich fünf Jahre alt war, kletterte ich auf einem Maulbeerbaum an das äußerste Ende eines Astes, um die reifsten Beeren zu pflücken. Ich merkte, dass ich nicht mehr ohne Hilfe hinunterklettern konnte. Schließlich kam die Feuerwehr und holte mich vom Baum. Die ganze Nachbarschaft kam, jubelte und teilte die Freude, als ich gerettet wurde. Dies war das erste Mal, dass ich im Rampenlicht stand.


Du wurdest mit dem Geschenk des Lachens geboren. Die Wurzeln des Lachens sind älter und stärker als die Wurzeln des Weinens.


Freu dich am Leben.

#45 
regrem патриот03.08.18 19:14
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in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 11:16 (regrem)

Was uns stark macht

Wir sprachen über das Starksein, darüber, wie wir unsere Stärke wiedererlangen können und woran wir merken, dass unsere Energie zurückkehrt. Ich habe etwas erlebt, das mir wie ein Wunder vorkam: Es geschah etwas völlig Unerwartetes und gab mir Kraft.


Was ich selbst hinzutat, war: Ich öffnete meine Hände, war offen in meinen Gefühlen, öffnete mein innerstes Wesen. Ich lernte loszulas­sen. Ich machte mich verletzbar.


Und während ich mich öffnete, empfing ich. Ich sah, was mich umgab, und nahm es in mich auf. Ich erkannte, was mir andere Menschen in meinem Leben bedeuteten, und lernte es zu schätzen. Ich erinnerte mich an Geschenke, für die ich mich nicht bedankt hatte, und holte es nach. Ich freute mich, wo ich zuvor verpasst hatte, mich zu freuen. Ich weinte, wo ich der Traurigkeit keinen Raum gegeben hatte. Es war eine intensive, erfüllte Zeit. Ich war offen für diese Gefühle und spürte, wie ich erstarkte.


Meine Stärke kehrte also zurück, als ich lernte, loszulassen. Ich hörte auf, mich über Vergangenes zu ärgern, und entdeckte die Kraft des Lebens in der Gegenwart. Ich kämpfte nicht mehr gegen das Wetter oder die Jahreszeiten, und plötzlich überraschte mich die Natur mit neuen Düften und Farben, dem Gesang des Windes und einer wilden Schönheit. Ich öffnete meine Hände und streckte meine Arme nach Westen aus, dem fliehenden Tag entgegen, im Licht des Sonnenunter­gangs. Als ich so dastand, erfüllte mich neue Kraft. Psalmworte wurden für mich lebendig.


Ich wurde verletzlicher und gleichzeitig stärker. Ich wurde schwach mit den Müden, still mit den Schweigsamen, begierig mit den Hungrigen. Ich weinte mit den Trauernden und tanzte mit denen, die sich freuten. Ich blieb in enger Verbindung mit den Menschen in meiner Nähe. Vereint in unserer Schwäche, wurden wir stärker. Ich legte meine Furcht vor der Schwäche ab und erinnerte mich an eine vergessene Ver­heißung: „Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft." In meiner Verletzbarkeit fand ich eine Stärke, die mich Gott näher brachte und mich froh machte.


Du sagtest: „Hilf mir, stark zu sein." Ich hoffe, dass dieser Brief dir helfen kann, von Tag zu Tag stärker zu werden. Vieles, was ich be­schrieben habe, habe ich durch dich gelernt. Während du diese Zeilen liest, will ich mich öffnen für deine Gedanken, deine Gebete. Ich fühle mich stark. Im Empfangen liegt eine große Kraft.


Sei stark im Herrn.

#46 
regrem патриот03.08.18 19:14
NEW 03.08.18 19:14 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 11:18 (regrem)

Ruhe und Schlaf

Die Farben des Sommers weichen. Rottöne mischen sich unter das Grün des Waldes hinter unserem Haus. Jeder Baum und jeder Strauch hat seine eigene Farbpalette. Bald werden die Blätter ihr buntes Herbstkleid anziehen. Auf den Hügeln und in den Tälern leuchten rote und goldene Sprenkel, wie mit Finger­farbe hingetupft. Der Herbst steht vor der Tür.


Der Herbst hält stets mit einer Symphonie aus Farben Einzug. Ebenso der Frühling, wenn Blumen und frisches Grün aus der Erde sprießen. Dazwischen liegt der Winter. Im Dezember scheinen die Wälder in einen tiefen Winterschlaf zu versinken.


Ruhe und Schlaf. Darüber möchte ich in meinem heutigen Brief nachdenken. Auch wir Menschen leben im Wechsel der Jahreszeiten. Wir haben unsere aktiven Phasen und unsere Ruhepausen. Wir wachen und wir schlafen.


Es gab Zeiten, da hatte ich Angst vor dem Schlaf. Angst, ich würde nicht wieder aufwachen. Angst, im Schlaf würde sich das Leben davon­stehlen. Ich sprach mit meinem Arzt darüber. Doktor Harold hörte mir zu, bis er wusste, welche Fragen er mir stellen musste. Was ich brauchte und wollte, war das Vertrauen in meinen Schlaf. Der Feind setzte alles daran, mir dieses Vertrauen zu rauben. Dieser Feind war mein Be­dürfnis, etwas zu kontrollieren - zu manipulieren -, worauf ich keinen absoluten Einfluss hatte: mein Leben. Ich wollte Kontrolle, ich brauchte Vertrauen.


Mein Arzt hörte zu, fragte weiter nach. Die Monate vergingen. Im Laufe der Zeit lernte ich, zu vertrauen, zu schlafen. Ich lernte loszulas­sen, war weniger verkrampft. Ich konnte mich wieder entspannen und erholen. Heute liebe ich den Schlaf, die Ruhe, ein Nickerchen zwischen­durch. Alles selbst in die Hand nehmen zu wollen, kostet viel Kraft. Doch wer vertrauen kann, sieht das Leben als Geschenk.


Wir haben keine Herrschaft über unser Leben, und das ist auch gut so. Wir empfangen es vielmehr als Gabe, von einem Geber, dem wir ver­trauen können. Während ich schreibe, dachte ich gerade an ein Bibel­zitat, das dieses Vertrauen auf wunderbare Art bestätigt: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen."


Weißt du noch, wie wir über das Wort „Amen" sprachen? Amen bedeutet „Ja, so sei es!", also im übertragenen Sinn auch: „Richtig, selbstverständlich, darauf kannst du dich verlassen." Amen bedeutet Vertrauen.

Noch zwei Wochen, und der Ahorn vor unserem Haus wird sein hellgelbes Blätterkleid tragen. So war es jedes Jahr im Herbst, seit wir ihn gepflanzt haben. Die Blätter werden sich gelb färben; darauf kann ich mich verlassen. Amen.


Amen für dich!

#47 
regrem патриот03.08.18 19:14
NEW 03.08.18 19:14 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 11:20 (regrem)

Heilung im Wandel der Jahreszeiten

WENN WIR VORANKOMMEN WOLLEN, müssen wir auch manchmal zurückschauen. Ich kannte einmal eine einfache Frau, die über eine große Lebensweisheit verfügte. Sie pflegte zu sagen: „Du musst dir umdrehn und zurückkieken, damit du weißt, wo du hinjehn musst." Daran musste ich denken, als ich dich sagen hörte: „Ich will Tulpen pflanzen." Tulpen sind mehrjährige Pflanzen. Jedes Frühjahr sprießen sie von neuem aus der Erde, aus ihren Zwiebeln. Sie schauen zurück, besinnen sich auf ihre Wurzeln, auf das, was sie wachsen lässt.


Auch du hast deine Wurzeln. Da ist deine Familiengeschichte. Da sind die Erinnerungen an deine Kinder. Wurzeln aus der Vergangen­heit sind in uns lebendig. Wir besinnen uns auf die Urahnen unserer Familie oder auf unsere geistlichen Vorväter, auf der Suche nach Traditionen und Visionen, nach etwas, das uns Kraft gibt - und nach einer Antwort auf die Frage nach unserer Herkunft und unserem Ziel.


Die Wurzeln der Tulpen hüten ihren Schatz für die Zukunft. Bald wird Väterchen Frost Eisblumen an die Fensterscheiben malen. Pflanzen beugen sich im kalten Wind. Trockene Halme werden bald von hohem Schnee bedeckt sein. In dem Tal in der Nähe meiner Heimat in Minnesota wird es still. Einjährige Pflanzen überwintern in winzigen Samen. Die Wurzeln der mehrjährigen warten in tiefem Schlummer unter der Erde.


Deine Pflanzen kommen jedes Jahr wieder. Jede einzelne Blumenzwiebel trägt die Geschichte von Generationen von Pflanzen in sich. In jeder Zwiebel verborgen wartet die Schönheit der Blüte - ein Wunder, das sich jedes Frühjahr neu entfaltet. So ist es auch bei dir.


In dir ruht so vieles: das Vertrauen und die Liebe, die dir entgegen­gebracht wurden; der Glaube, den andere an dich weitergaben; die Eigenschaften, die zu deinem Wesen gehören. Wie viel Gutes haben wir in uns, von dem wir zehren, wie viele Reserven, die wir nach einer langen Winterpause anzapfen können.


Meteorologen sagen für dieses Jahr einen kurzen Winter voraus. Der Frühling wird zeitig kommen und mit ihm die Sonne, die neuen grünen Knospen und die emsigen Veilchen.


Gott hat uns Frühling, Sommer, Herbst und Winter geschenkt, damit wir heil werden im Wechsel der Jahreszeiten. Schau auf die Tulpen, die ruhen und wieder aufblühen. Dies alles fiel mir ein, als du sagtest: „Ich will Tulpen pflanzen."


Tulpen brauchen die Ruhe des Winters.

#48 
regrem патриот03.08.18 19:14
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in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 11:24 (regrem)

Der Duft frisch gebackenen Brotes

Es ist Montag. Montag war immer der Tag, an dem meine Mutter Brot backte. Noch heute kann ich montags das frische Brot riechen, den Honig schmecken und sehen, wie die hausgemachte Butter auf den ofenwarmen Scheiben schmilzt. Frisch gebackenes Brot war als Kind meine Medizin für Leib und Seele - falls ich einmal Medizin brauchte. Und das kam vor.


Meine ganze Welt in dem ländlichen Haus am Hang war plötzlich wie verwandelt, wenn meine Mutter das duftende, warme Brot auf­schnitt. Und für eine kleine Weile war ich im Himmel. Hast du ähnliche Erinnerungen aus deinen Kindertagen?


Ein Duft - welch ein wunderbarer Freund, anregend und heilend. Düfte bringen angenehme Erinnerungen zurück: an Blüten, Sommertage, Gärten auf dem Land, gutes Essen, besondere Menschen, die Bäckerei um die Ecke, einen festlichen Abend, eine Geburtstagstorte, einen Frühlingsregen. Wie kommt es, dass die Düfte der Vergangenheit in uns lebendig geblieben sind? Sind sie nicht bis heute eine Tür zu Orten und Zeiten der Heilung?


Wir sind ihnen so nah: Der Duft heißer Schokolade oder frischer Äpfel, ein Korb mit knackigem Gemüse, ein Weihnachtsbaum, fla­ckerndes Kerzenlicht - all das kann diese Tür öffnen. Weißt du noch, wie der Waldboden riecht oder ein viel geliebtes altes Buch, der erste Schnee oder das Herbstlaub? Ich kann mich noch heute an den Geruch des Wohnzimmers in Tante Minnies Haus erinnern. Und das ist fünfzig Jahre her, so wie der Duft von Mutters Brot. Ich liebte den Geruch des Herbstlaubes, wenn wir als Kinder in die Laubhaufen sprangen und uns lachend und kullernd darin wiederfanden. Weißt du noch, wie das war?


So erstaunt es mich nicht, dass duftender Weihrauch eine Opfer­gabe des Volkes Israel an Gott war. Düfte sind ein Segen. Ich liebe den Duft des Abendmahls: Brot und Wein, Kerzen, Weihrauch und die Blumen auf dem Altar.


Die Blätter der alten Eiche werden bald ihre Farbe wechseln. Ob es einen ganz bestimmten Eichen-Duft gibt?


Ich sende dir heute einen Hauch des Duftes von frisch gebackenes Brot.

#49 
regrem патриот03.08.18 19:15
NEW 03.08.18 19:15 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 11:26 (regrem)

Was gibt es Neues?

Was gibt es Neues? Ich meine es ganz wörtlich: Was gibt es Neues bei dir? Neues denken und Neues tun, ja, das will ich. Heute habe ich fünf Dinge aufgelistet, die ich vor wenigen Jahren noch gut konnte und die mir heute schwer fallen. Du weißt, wie es ist, wenn fortschreitendes Lebensalter und Krankheit ihren Tribut fordern. Ich muss zugeben, dass ich diese fünf Dinge vermisse. Und ich habe begonnen, neue Schwerpunkte zu setzen.


So nahm ich ein zweites Blatt zur Hand und schrieb zehn neue Dinge auf, die ich in den nächsten Jahren tun möchte. Die Liste wird mit der Zeit länger werden. Ich verspüre einen inneren Drang, eine Sehn­sucht, diese neuen Dinge zu tun; ich muss sie tun. Sie sind für mich so wichtig geworden, wie die fünf anderen es einmal waren. Darum frage mich bitte bei unserem nächsten Telefongespräch: „Was gibt es Neues?"


Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke und daran denke, was ich in meiner Jugend gern unternommen habe, wird mir wieder einmal bewusst, dass wir die Vergangenheit gegen die Zukunft eintau­schen. So ist nun einmal das Leben.


Das nächste Mal, wenn wir miteinander sprechen, können wir viel­leicht unsere Listen vergleichen. Erzähle mir von den Dingen, die du schon immer einmal tun wolltest und für die du jetzt endlich Zeit findest. Erzähle mir, was es Neues gibt. Lass mich deine Liste sehen.


Heute dachte ich an Walter, einen Mann, der vor vielen Jahren zu unserer Gemeinde gehörte. Es gab eine Zeit, da musste er wochenlang bewegungslos im Bett liegen. Mitglieder der Gemeinde brachten ihm Listen mit Namen und Gebetsanliegen, und Walter wurde zu einem der treuesten und vollmächtigsten Beter in unserer Mitte. Die Menschen hofften auf ihn und vertrauten ihm, wenn er für sie um Heilung betete. So halfen Walters Gebete im Krankenhausbett vielen anderen Kranken, wieder gesund zu werden.


Die Jahre vergehen, doch es gibt noch so viel Neues zu tun und zu entdecken. Jetzt ist die Gelegenheit!


Die Nächte werden kälter. Die Blätter der Eiche folgen jedes Jahr demselben Kreislauf: Sie welken und fallen ab, um im kommenden Frühjahr neu zu sprießen. Dann schmücken sich ihre alten Zweige wieder mit frischem Grün.


Was gibt es Neues bei dir?

#50 
regrem патриот03.08.18 19:15
NEW 03.08.18 19:15 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 19:51 (regrem)

Die Kraft der Farben

In unseren Breiten ist der Hehrst schon weit fort­geschritten. Das Grün der Blätter hat sich in Gold verwandelt. Lass uns gemeinsam staunen, wie Gott die Erde ausschmückt auf seiner riesigen Staffelei. Ein Farbenmeer. Gott ist ein meisterhafter Maler.


Wenn du von den Blumen in deinem Garten sprichst, beschreibst du ihre Farben. Du kennst sämtliche Nuancen und Schattierungen ihrer Farbenpracht. Die Schönheit, die du mit deinen Augen auf­nimmst, tut Körper und Seele gut und trägt viel zu deiner Genesung bei. Du siehst die Schönheit der Schöpfung, und Schönheit ist heilsam. Farben sind heilsam.


Gott ist ein Künstler. Er mischt die Farben und sprenkelt sie auf deine Gartenbeete und meine Herbstbäume: blass- und tiefgrüne Blätter, zartgelbe Pastelltöne neben kräftigem Orange und leuchtendem Rot. Ich staune über das Farbenspiel des Waldes. Du bewunderst die Vielfalt in deinem südlichen Garten. Gott hat einen Sinn für Schönheit. Und er gab ihn an uns weiter.


Er schenkte uns die Gabe des Staunens, des ehrfürchtigen Be-trachtens und der Freude. Es sind Gaben voll heilender Kraft. Ich sehe dich lächeln, wenn die erste Magnolie sich öffnet. Meine Seele wird heil, wenn sich die Eichenblätter rot färben.


Lass uns heute die Farben bewundern, Gottes Geschenk an uns. Ein kostenloses Schauspiel; wir brauchen keine Eintrittskarten. Und die Vorstellung geht rund um die Uhr weiter, denn auch die Nacht hat ihre Farben.

Manche Bäume haben sich heute in Blattgold gehüllt.


Trinke die Farben.

#51 
regrem патриот03.08.18 19:16
03.08.18 19:16 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 19:54 (regrem)

Festhalten und Loslassen

Ich habe heute einen Großteil unserer Garage entrümpelt. Mein Sohn half mir, einen Container zu bestellen und mein Leben von Überflüssigem zu befreien.


Hast du auch manchmal Angst, dich von lieb gewordenen Dingen oder Gewohnheiten zu trennen, Angst vor dem Loslassen? Ich kann das gut verstehen. Festhalten und Loslassen ist ein Thema, das mich zur Zeit sehr beschäftigt.


Loslassen fällt mir schwer, wenn es meine Gesundheit und die Fähigkeiten und Kräfte betrifft, die ich einst hatte. Ebenso schwer fällt es mir, Vergangenes loszulassen und mich von alten Andenken zu tren­nen. Ich brauche Zeit, um zu entscheiden, was ich behalten möchte und was nicht. Der heutige Tag in der Garage war nicht leicht für mich.


Ich glaube, ich habe eine Möglichkeit gefunden, lieb gewordene Dinge loszulassen, ohne mich vollständig von ihnen trennen zu müssen. Kleine Andenken aus vergangenen Tagen kann ich getrost festhalten. Einige davon konnte ich heute bei der Entrümpelung retten. So fanden wir zum Beispiel einen Stapel abgetragener Kleidungsstücke meiner Kinder: T-Shirts und Hemden, Jeans und Schlafanzüge. Als sie zu klein geworden waren, wurden sie als Putzlappen verwendet oder landeten, zum Wegwerfen bestimmt, in der Garage. Für mich steckt jedes einzelne Kleidungsstück voller Erinnerungen: an Camping-Urlaube, Abendgebete, Fahrradtouren, Gottesdienste, Feiertage. Sie alle lösen Gefühle aus, erinnern an Lebensabschnitte, Gerüche, Gelächter und Geschichten. Ich konnte sie unmöglich der Müllhalde übergeben. So nahm ich eine Schere und schnitt aus jedem Kleidungsstück ein kleines Quadrat heraus. Aus diesen Stoffvierecken wollen wir eine große Patchwork-Decke nähen.


Die einzelnen Stücke helfen mir, einen Teil des Ganzen festzuhalten. Beim Ausschneiden musste ich daran denken, dass man von allem nur das Beste festhalten sollte - die guten Zeiten, die positiven Gefühle -und das Übrige getrost loslassen kann. Gute Erinnerungen will ich hüten wie einen Schatz.


Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Schätze der Vergangenheit zu hüten. Vieles kann ich in den Gedichten oder Briefen festhalten, die ich schreibe. Bewahre diesen Brief für die Zukunft auf. Halte fest an kleinen Andenken vergangener Tage, die dich heute spüren lassen, dass du geliebt wirst. Alles andere kannst du loslassen.


Deine Kräfte, Fähigkeiten und Gaben werden dich nie wirklich ver­lassen. Sie werden auf geheimnisvolle Art verwandelt, doch sie bleiben ein Teil von dir. Halte fest an deinen wunderbaren Gaben - auch wenn es manchmal nur winzige Bruchstücke sind.


Denk an die Patchwork-Decke:


Aus kleinen Stücken entsteht ein vollkommenes, wunderbares Ganzes.

#52 
regrem патриот03.08.18 19:16
NEW 03.08.18 19:16 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 19:57 (regrem)

Zeit - ein Geschenk Gottes

Heute dachte ich: Es ist an der Zeit, einmal über das Geschenk der Zeit nachzudenken. Es gab eine Zeit, da stand ich chronisch unter Zeitdruck. Ich konnte nichts richtig zu Ende brin­gen, dachte ständig: „Ich habe keine Zeit."


Hast du auch manchmal das Gefühl, dass dir die Zeit davonläuft und du vieles nicht rechtzeitig schaffst? Hattest du auch schon Tag und Nacht die Armbanduhr um und hörtest, wie sich die Zeit erbarmungs­los tickend davonstahl? Tick-tack, tick-tack. Hast du auch manchmal den Eindruck, dass die Zeit viel zu schnell vergeht?


Die Zeit kann zu einer Falle werden - starr und gleichförmig, töd­liche Routine oder ein wahnwitziges Rennen gegen die Uhr. Gestern hielt ich alle Uhren in unserem Haus an, legte die Armbanduhr ab und ließ mich von der Zeit treiben wie von einem ruhigen Fluss. Die Strömung gab das Tempo an. Es war ein gutes Gefühl. Mein Tages­ablaufwurde bestimmt von einer inneren Stimme, von den Umständen und Ereignissen. Ansonsten tat ich, was mir beliebte. Ich freute mich an der Zeit, ich tanzte mit ihr, lachte mit ihr. Die Zeit erschien auf einmal in einem ganz neuen Licht.


Wie kann etwas so Altes wie die Zeit neu werden? Indem wir anfangen, sie mit neuen Augen zu sehen - nicht als Herrscherin, sondern vielmehr als Reisegefährtin. Gestern hatte ich genug Zeit, und trotzdem verging die Zeit wie im Flug. Ich spürte eine wunder­bare Freiheit.


Die Zeit ist frei. Und es gibt sie umsonst. Wir alle bekommen täg­lich dasselbe Quantum Zeit geschenkt. Heute sehe ich die Zeit als etwas, worüber ich bestimmen kann, anstatt mich von ihr bestimmen zu lassen.


Die Zeit ist ein Freund. Sie ist die Lebenszeit, die Gott dir und mir schenkt. Er gab sie uns, damit wir uns an ihr freuen und sie ausschöpfen. Wir brauchen sie nicht zu fürchten.


Ich bin für alle Zeiten dein Freund.

#53 
regrem патриот03.08.18 19:16
NEW 03.08.18 19:16 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 20:01 (regrem)

Entdeckerfreude

Wenn wir miteinander sprechen, erzählst du mir jedes Mal von etwas Neuem, das du gerade entdeckt hast. Zeiten der Genesung sind Zeiten der Entdeckungen.


Nach meiner Krebsoperation sprach man in der Klinik von einer „Genesungsphase". Ich nannte sie „Entdeckungreise". Dazu gehörten Wochen voller Höhen und Tiefen. Eine typische Woche verlief etwa so: Man befreite mich von den Schläuchen, an denen ich hing, ich kam nach Hause, mähte den Rasen, spielte ein bisschen Frisbee, sägte einen abgestorbenen Ast ab. Es folgten neue Infusionen, ich brauchte Ruhe, machte langsame Spaziergänge am See, fütterte die Wildgänse mit Brotstücken.


Ich erholte mich von der Operation. Und ich machte neue, spannende Entdeckungen. Ich entdeckte die Höhen und Tiefen, die der lange Weg der Genesung mit sich bringt. Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht?


Ich erholte mich, aber das war nicht alles. Es war weitaus mehr als ein bloßes Wiederherstellen meiner Gesundheit. Ich schlug neue Wege ein, fand eine neue Lebenseinstellung. Ich entdeckte völlig neue Züge in mir. Ich entdeckte einen Humor, der lange Zeit verschüttet gewesen war. Ich entdeckte ein Gesicht im Spiegel, das ich gern anschaute. Ich merkte, dass ich jemanden vermisste, den ich lange nicht gesehen hatte. Ich entdeckte alle meine Sinne neu.


Heute kann ich mich viel besser annehmen. Ich erlebe Verände­rung, Wachstum. Ich bin gesünder. Ich fühle mich jünger als zuvor.


Wie ist es bei dir? In welchen Lebensphasen hast du das größte Wachstum erlebt? Was gefällt dir an deinem Spiegelbild?


Damals, in der Schule, lernten wir, dass der Mensch fünf Sinne hat. Sind es wirklich nur fünf? Heute habe ich manchmal den Eindruck, dass es mehr sind. Ich bin überzeugt davon, dass wir einen sechsten Sinn haben.


Ich möchte teilhaben an deinen Entdeckungen.

#54 
regrem патриот03.08.18 19:16
NEW 03.08.18 19:16 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 20:03 (regrem)

Heilung von innen

Es ist Winter geworden. Der Nistkasten im Apfel­baum steht leer. Die Zaunkönig-Jungen sind flügge geworden und nach Süden geflogen, dorthin, wo du wohnst. Der Schnee fällt in dichten Flocken. Der leere Vogelkasten wirkt nicht einsam und ver­lassen; sein Anblick macht mich immer noch froh. Ich kann noch das Zwitschern und Pfeifen der Vögel hören und sehe die kleinen Zaun­könige emsig mit Nistmaterial und Futter hin- und herfliegen. Welch geschäftiges Treiben herrscht im Inneren eines Vogelhauses!


Auch du bist sehr beschäftigt. Ich merke, wie es in deinem Inneren arbeitet - da sind Gefühle, Hoffnungen, Enttäuschungen und Erwar­tungen. Doch was ich am meisten heraushöre, ist deine Fröhlichkeit. Du bist wie ein singender Vogel. Dein geschäftiger Geist hat eine heil­same Wirkung auf deinen Körper.


Im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Thema „kindliche Kreativität" lautete eine Aufgabe: Zeichne ein Vogelhaus. Die Kinder machten sich eifrig an die Arbeit. Viele waren sehr schnell damit fertig. Die meisten zeichneten ein spitz zulaufendes Dach, Dreiecke und kleine Löcher mit Sitzstangen. Es waren ziemlich naturgetreue Darstellungen von Vogelhäusern.


Ein Junge zeichnete sehr langsam und konzentriert. Er schien die Welt um sich herum vergessen zu haben. Die ganze Zeit über hielt er sein Blatt Papier mit der Hand bedeckt. Allmählich entstand ein kom­plexes Bild. Als er gefragt wurde, wie er vorankomme, antwortete er leise, beinahe ehrfürchtig. Seine Stimme war kaum zu vernehmen. „Ich zeichne das Vogelhaus von innen." Ich denke, seine Zeichnung drückte das aus, was ich angesichts des schneebedeckten Vogelhäus­chens empfinde. Ich sehe das Vogelhäuschen von innen.


Zum Schluss umrandete der Junge sein Bild mit einem Kreis, der das Einflugloch des Häuschens darstellte. Im Inneren entfaltete sich der Zauber seiner wunderbaren Vogelwelt.

Ähnlich ist es mit dem Gesundwerden: Es geschieht von innen he­raus. Wenn ich deine fröhliche Stimme höre, dann weiß ich: Deine Heilung kommt von innen.


Ich grüße dich aus dem inneren meines Vogelhauses.

#55 
regrem патриот03.08.18 19:16
NEW 03.08.18 19:16 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 20:05 (regrem)

Die heilende Kraft der Musik

Denk an die Lieder, die du auswendig kannst. Denk an Melodien, die du liebst. Musik ist heilsam. Meine Jugend in der ländlichen Gegend von Nebraska war voller Musik. Zumindest scheint es mir heute so. Tagaus, tagein sang oder summte ich Spirituals. Sonntags stimmte ich aus voller Kehle in die alten Kirchenlieder ein, die von einem Harmonium begleitet wurden.


Ich erinnere mich an leise gesummte Lieder an meinem Bett, wenn ich krank war. Beim gemeinsamen Frühjahrsputz in der kleinen Land­kirche sang ich zum Rhythmus meines Wischlappens. So ging mir das Putzen schneller von der Hand, und das Singen machte mich froh.


Tanzt du noch immer so gern?


Rhythmus, Melodien und gute Liedtexte sind heilsam. Die bibli­schen Psalmen waren ursprünglich Lieder der Heilung, der Vergebung, der Freude und des Trostes. Viele Psalmen wurden laut herausgeschrien, man weinte oder tanzte zu ihnen. Ich liebe diesen Vers in Psalm 131 - er ist wie ein Wiegenlied:


Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden

wie ein kleines Kind bei seiner Mutter;

wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir.


Ich habe ein japanisches Haiku geschrieben, ein dreizeiliges Gedicht. Jede Zeile ist ein eigenständiges Bild. Die Silbenzahl dieser Gedichte unterliegt einem festen Muster: fünf - sieben - fünf. Ich schrieb es für dich.


Im Jetzt ruht die Zeit.

Gestern und heute sind Eins.

Tanze Brot und Wein.


Die Äste der Eiche beugen sich unter der Schneelast. Ich habe dir ein Lied geschrieben. Gib ihm eine Melodie.


Ich bin dein Liedermacher aus dem Schnee.

#56 
regrem патриот03.08.18 19:17
NEW 03.08.18 19:17 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 20:07 (regrem)

Licht und Schatten

Du schreibst, dass du viel Zeit in der Hollywood-Schaukel auf deiner Veranda verbringst. Unsere Veranda ist schon schneebedeckt.


Du liebst den Schatten an der Nordseite deines Hauses, den Schatten der Veranda. Ich weiß, wie es ist, in einer warmen Nacht durch den Schatten zu schaukeln. Ich brauche Schatten und schattige Plätze; sie taten mir in all den Jahren gut.


Schatten sind wunderbar, vor allem im Sommer. Ich mag es, beim Gehen meinen Schatten zu beobachten, staune über seine tänzerische Präzision. Ich mag seine schemenhafte Gestalt, seinen unbeirrbaren Gehorsam. Der Schatten tanzt im Sonnenlicht. Licht und Schatten sind unzertrennliche Tanzpartner.


In meinen Kindertagen hüteten meine Freunde und ich Kühe in der Nähe einer Bahnlinie. Wir banden alte Leinensäcke an einen Zaun, so dass eine Art Zelt entstand, unter dem wir sitzen und die Tiere im Auge behalten konnten. Wir saßen gern im kühlen Schatten unseres selbst gebauten Sonnendachs. Stand in der Nähe ein Baum, der groß genug war, setzten wir uns in den Schatten seiner Krone. Der Schatten war eine Wohltat an heißen Sommertagen. Kein Wunder, dass die Psalmisten im alten Israel auch den Schatten und die Hitze oder Kühle des Tages besangen.


Am liebsten sind mir die Schatten der Abendkühle, wenn die Sonne am Horizont versinkt und ein sanfter Wind das Haar streift. Ich bin froh, dass es bei dir kühl ist - und behaglich zugleich. Lerne Orte der Behaglichkeit zu schätzen. Eine Schaukel auf einer Veranda ist ein heilsamer Ort, dafür geschaffen, um nach überstandener Krankheit Ruhe und Erholung zu spenden.


Ich schreibe diesen Brief um zwei Uhr morgens. Es ist Vollmond, und das Mondlicht zeichnet die Schatten der Bäume in den hellen Schnee. Eine Nacht zum Nachsinnen und Träumen. Die Nacht heute ist still und von kristallklarer Schönheit. Doch nur wenige Menschen wer­den diese Schönheit sehen.


Stell dich einmal in die Mitte einer schattigen Fläche und beob­achte aus dieser Perspektive, was der Schatten tut. Schatten sind faszi­nierend, fragil und flüchtig. Ihre Lebensdauer ist so kurz. Der Schatten ist die andere Seite des Lichts.


Ich wünsche dir eine gute Nacht.

#57 
regrem патриот03.08.18 19:17
NEW 03.08.18 19:17 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 20:10 (regrem)

Behalte deinen Namen lieb

Es gibt Tage, da fühle ich mich einmalig und wertvoll. Ein gutes Gefühl tief im Inneren, das mir niemand nehmen kann.


Dass dieses Gefühl in mir Fuß fassen konnte, ist nicht zuletzt der Ver­dienst eines wunderbaren Menschen. Als Kind wurde ich Herbert gerufen. „Herb" und „Brokering" kamen erst später. Meine Mutter benutzte stets meinen vollen Namen, und ich hörte ihn gern. Ich mochte meinen Namen, Herbert, wenn sie ihn rief. Ich weiß, dass auch du deinen Namen gerne hörst. Du liebst seinen Klang aus dem Mund der Menschen, die dir etwas bedeuten. Höre einmal in dich hinein: Welche guten Gefühle löst dein Name in dir aus, wenn dich heute jemand mit Namen anspricht?


Meine Tante Cora trug viel dazu bei, dass ich meinen Namen lieben lernte. Als ich klein war, nähte sie ein weißes Stoffhündchen für mich.

Auf seinen Bauch hatte sie meinen Namen gestickt. Da prangte er: mein eigener Name, von Hand gestickt und in roten Lettern. So wurde mein Name für mich zu meinem Lieblingswort. Herbert. Herbert. Ohne es zu wissen, hatte diese Tante den Samen der Wertschätzung in meine Kinderseele gelegt. Wenn ich das Stoffhündchen abends im Bett an mich drückte, umarmte ich zugleich meinen Namen, mich selbst und die ganze Welt. So schlief ich selig ein. Auch wenn ich einmal krank war, tröstete mich der kleine Hund. Bestimmt hast du Ähnliches erlebt. Wer half dir, deinen Namen zu „umarmen", als du noch klein warst? Wie lerntest du, den Klang deines Namens zu lieben? Halte die Melodie deines Namens fest und lass sie heute Balsam für deine Seele sein.


Ich spüre, dass du auf dem Weg der Besserung bist. Du erzähltest mir von deinem Puzzle mit eintausend Teilen. Ein Puzzle ist ein ver­lässlicher Freund. Du kannst jederzeit zu ihm zurückkehren. Es wartet immer auf dich. Ich weiß heute noch, wo mein kleiner weißer Stoff­hund saß und auf mich wartete.


Die Winternacht ist kalt. In diesem Brief denke ich an das Warme, Tröstliche: ein Puzzle, ein Stofftier. Der Winter ist die Zeit, in der wir näher zusammenrücken. Weißt du noch, wie es war, als Kind bei Mutter oder Vater auf den Schoß zu klettern oder sich in die warme Lieblingsdecke zu kuscheln? Rufe dir heute etwas Warmes, Tröstliches ins Gedächtnis: ein Wort, eine Berührung, eine Umarmung, und kuschle dich darin ein.


Fühl dich von mir umarmt.

#58 
regrem патриот03.08.18 19:17
NEW 03.08.18 19:17 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 20:12 (regrem)

Der Segen des Dankens

Danke. Heute möchte ich dir vor allem einmal danke sagen. Danke, dass ich dir schreiben darf. Danke, dass du das Ge­schriebene auch liest.


Als ich das letzte Mal im Krankenhaus lag, machte ich eine inte­ressante Beobachtung: Manchmal war ich so auf mich selber fixiert, dass ich vergaß, mich zu bedanken. Meine Schmerzen und Ängste waren einfach zu groß. Eine gute Freundin trug viel dazu bei, dass ich wieder danken lernte. Wann immer sie mich besuchte, strahlte sie Dankbarkeit aus - die Dankbarkeit war ein Wesenszug von ihr. Sie bedankte sich laut und selbstverständlich bei ihren Mitmenschen, und sie sparte nicht mit ihrem Dank.


Wahrscheinlich ahnte sie nicht, welch ein Geschenk ihre Dank­barkeit für mich war. Ihre Dankbarkeit war ansteckend, und schon bald wurde ich von demselben heilenden Virus erfasst. Danken ist heilsam. Mit dem Danken stellt sich ein Gefühl der Freude ein. Unsere Züge ent­spannen sich. Danken erhebt unseren Geist. Dankbare Herzen können besser beten. Wer dankbar ist, erinnert sich an schöne Zeiten, liebe Men­schen, gute Erfahrungen. Danken ist eine gute Medizin. Danken mündet ein in Musik, in Gedichte und Lieder. Dank jubelt, winkt und tanzt.


Jener Krankenhausaufenthalt ist Jahre her. Aber ich kann noch immer die Stimme dieser Freundin hören. Durch sie lernte ich eine wunderbare Lektion über Heilung. Heute bedanke ich mich gern, und ich suche nach Zeichen der Dankbarkeit bei anderen. Es brauchen keine Worte zu sein - viel wichtiger sind Augen und Hände. Oft genügt schon ein Blick, ein Strahlen, ein Händedruck, eine Berührung, eine Umarmung.


Danken besteht aus Geben und Nehmen. Beides ist wichtig - Dank sagen und Dank empfangen. Beides ist heilsam.


Ich bin dankbar, dass es dich gibt.

#59 
regrem патриот03.08.18 19:17
NEW 03.08.18 19:17 
in Antwort regrem 03.08.18 18:45, Zuletzt geändert 09.08.18 20:13 (regrem)

Die Welt in voller Blüte

Endlich tritt der Winter seinen Rückzug an. Die Tage werden länger, die Sonne geht früher auf. Die Natur weiß, dass der Frühling kommt. Selbst der Wind ist wärmer geworden.


Heute ließ ich dein Telefon länger klingeln als sonst. Ich wollte dir genug Zeit lassen, um zum Telefon zu kommen. Du kamst aus dem Garten. Du sagtest, bei euch in Louisiana sei der Frühling bereits ange­brochen. Du erzähltest von den Blumen, die schon blühen. Du sprachst davon, wie sich die Rotkehlchen sammeln, so wie sie es jeden Winter tun, bevor sie ihre Reise nach Norden antreten. Dieses Jahr seien sie früh dran. Bald schon würden sie zu uns kommen. Du sagtest uns ein zeitiges Frühjahr voraus. Die Rotkehlchen und die blühenden Blumen bringen Grüße von dir zu mir.


Was ich aus alledem heraushören konnte, war: „Es geht mir gut." Deine Stimme klang heiter wie die blühenden Narzissen, von denen du erzähltest. Beinahe konnte ich das Leuchten sehen, das über dein Gesicht huschte, als du die Azaleen beschriebst. Deine Stimme sang, als du von den Rotkehlchen sprachst, die eifrig Körner picken und Kräfte sam­meln, bevor sie nach Norden fliegen. Immerzu muss ich daran denken, wie gut deine Stimme klang.


Du sagtest, es sei die Arbeit, die uns Menschen ein Gefühl der Wert­schätzung verleiht. Deine Arbeit, das ist der Garten. Und zwar nicht nur das Säen, sondern auch das Sehen. Das streichst über die Blüten, riechst an den Pfingstrosen, pflückst Blumen für einen bunten Strauß. Die Blumen geben dir das Gefühl, gebraucht zu werden, wertvoll zu sein.


Es kommt nicht von ungefähr, dass wir bei Krankenbesuchen Blumen schenken. Blumen - sie sind die Saat, die Sonne, die Erde, der Regen. All dies steckt in einem Blumenstrauß. Deine gelben Narzissen sind die Wolken, der Himmel, die Nächte, die Morgenröte, der Tau. Ein Werk Gottes, für uns geschaffen zur Freude und Heilung.


Deine Blumen blühen schon. Um so gespannter will ich hier im Norden auf das Aufgehen der Saat warten. Du sahst die Rotkehlchen, die zum Aufbruch bereit sind. Ich bin gespannt auf das erste Rot­kehlchen in unserem Garten.

Ich rief dich an, um zu hören, ob es dir gut geht.


Nach unserem Gespräch geht es mir ebenfalls gut.

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