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in Antwort regrem 17.02.16 17:53, Zuletzt geändert 18.02.16 21:28 (regrem)
DRAUSSEN, im Hafengelände, blieb ich stehen und überlegte, ob ich sofort zu der kleinen Bar gehen sollte, die sie mir gezeigt hatte. Das ist etwas für Sie - ich hatte es noch immer im Ohr und kam nicht davon los, natürlich bildete ich mir ein, dass dieser Satz eine besondere Bedeutung hatte, er musste sich auf etwas beziehen, das sie an mir beobachtet hatte. Hatte sie, hatte sie wirklich irgendeine Besonderheit an mir entdeckt? Ich konnte es mir nicht vorstellen, sie hatte sich jedenfalls nichts anmerken lassen, die ganze Führung über hatte sie mich kaum beachtet, sondern sich ausschließlich auf die kunstvoll angestrahlten, leuchtenden Objekte konzentriert. Die Versuchung war groß, gleich den Weg zur Bar einzuschlagen, mich hinsetzen, mir Gedanken machen, etwas notieren wollte ich doch sowieso, warum also nicht in der Bar, die kaum ein paar hundert Meter entfernt war? Ich kam an der Fischmarkthalle vorbei und entschloss mich sofort, dort hineinzugehen, schnell trat ich durch das breite Tor ein, und als mich drinnen die schneidende Kälte der zerstoßenen Eisbrocken überfiel, auf denen die Fischberge drapiert waren, schien ich auf diesen Schlag hin zur Besinnung zu kommen. Klar und deutlich war mir jedenfalls plötzlich, dass ich während meiner ersten Schritte durchs Hafengelände insgeheim mit ihrer heimlichen Beobachtung gerechnet hatte, nur aus diesem Grund war ich so steif und verhalten gegangen, ich hatte ihren Blick aus dem höher gelegenen Fenster zu spüren geglaubt oder herbeigewünscht, ich hatte wirklich angenommen, dass ihr Blick während meines Hafengangs aus irgendeinem Grund auf mir ruhte. Als ich das begriff, schüttelte ich nur den Kopf, ich trieb mich an, von Fischstand zu Fischstand zu gehen, unbedingt brauchte ich eine Ablenkung. Während ich mir aber noch einredete, die jetzt lebendigen Schnecken und Garnelen endlich in Ruhe betrachten zu müssen, bekam ich große Lust, sie zu berühren, einfach mit offener Hand hineinzufassen in diese Berge, sie durch meine Finger gleiten zu lassen, sie auszuwählen, mitzunehmen, sie zu kochen und zu verzehren. Von überall kamen auch gleich die Angebote, meine Kauflust war anscheinend nicht zu übersehen, und so riefen die Marktfrauen mir ihre Preise zu, sich gegenseitig unterbietend und mit einem Gelächter, als ob der nicht zu überhörende Preissturz etwas Obszönes sei. Diese Aufdringlichkeit störte mich, ich wollte allein und in Ruhe gelassen werden, deshalb beschleunigte ich wieder und verließ mit schnellen Schritten die Halle, um nun wiederum in der großen Morgenhitze im Freien zu stehen, ich konnte hier unmöglich bleiben, niemand bewegte sich in diesem Gelände, selbst die meisten Hafenarbeiter hatten sich einen schattigen Platz auf einem der vielen Fischkutter gesucht. Ganz kurz überlegte ich wahrhaftig noch, ob ich mich umblicken und zu einem bestimmten Fenster des Museums hinaufschauen sollte, dann aber ging ich langsam hinüber zum Yachthafen, es war doch ausgeschlossen, dass sie noch immer am Fenster stand, was bildete ich mir denn die ganze Zeit ein? Ich erreichte ein kleines Tor, eigentlich war der Zutritt nur Bootsbesitzern gestattet, die Aufschrift auf der Verbotstafel scherte mich jedoch nicht, nichts hätte mich jetzt aufhalten können, und so ging ich über einen schmalen Steg zwischen den Booten entlang auf die schwimmende Insel zu. Die Bar war leer, ich griff nach der Karte und setzte mich dann an einen Tisch, ich setzte mich so, dass ich das Museum im Auge behielt, mit meinem Fernglas hätte ich sogar ein gewisses Fenster leicht ins Blickfeld rücken können. Ich bestellte einen Eistee, als das Getränk serviert wurde, kramte ich mein schwarzes Notizbuch hervor, die ganze Zeit hatte ich es bereits aufschlagen wollen, ich wollte selbst zu Wort kommen, endlich, ich musste schreiben, vielleicht gelang es so, der Unruhe Herr zu werden: Beinahe ärgere ich mich jetzt, wie hingerissen ich die letzte Stunde zugehört habe., es war wie ein Rausch. Ich bin hier, um etwas in Erfahrung zu bringen und einige Bilder und Sätze zu sammeln, ich habe einen Auftrag, ich bin nicht hier, um jemanden zu bewundern. Wie konnte es also überhäuft soweit kommen, worin, frage ich mich ernsthaft, bestand die große Wirkung, die sie auf mich ausübte? Manchmal schob sie mit der Rechten den linken Ärmel ihres Kleides etwas hinauf, sehr flüchtig und doch so, als wollte sie etwas zu packen bekommen. Manchmal berührte sie mit den Fingerspitzen ihre Halskette, als tastete sie nach einer Erinnerung. Manchmal führte sie den Zeigefinger langsam über die Ringkuppe, als wollte sie sich vergewissern, dass er noch da sei ... Ich muss das aufschreiben, jetzt, sofort, obwohl es ganz nebensächlich zu sein scheint, ich muss es aufschreiben, weil ich es so deutlich in Erinnerung habe und es etwas bedeuten könnte. Irgendwann werde ich es verstehen und dahinterkommen, jetzt muss ich es notieren, damit es nicht sofort verblasst. Ein Moment der Wirkung beruhte ganz sicher darauf, dass wir allein waren, dass niemand uns störte, dass wir zu zweit durch dieses Museum gingen. Die Stille der Räume, die Abgeschiedenheit, das alles verstärkte den Zauber, sie sprach nicht direkt zu mir, sie redete mich kein einziges Mal an, sie fragte nichts, sie wollte nichts von mir wissen, und doch war es so, als habe sie sich diesen Vortrat für mich aufgehoben, nur für mich, und als halte sie ihn vor mir zum ersten Mal ... Zum ersten Mal? Was soll das heißen? Glaube ich wirklich, dass sie diesen sicheren, glanzvollen Vortrag zum ersten Mal gehalten hat, zum ersten Mal und ausgerechnet vor einem Fremden, ausgerechnet vor mir? Was wäre denn an mir so Besonderes, das mir diese Ehre zuteil geworden wäre, was wäre es? Ich setzte den Stift ab, rasch und ohne eine einzige Unterbrechung hatte ich geschrieben, das war sonst nicht meine Art, gewöhnlich ging ich beim Schreiben sehr kontrolliert vor. Jetzt aber war das anders, es zog mich von Satz zu Satz, die Sätze huschten förmlich über das Papier, ich konnte gar nicht schnell genug mit dem Stift folgen, hinzu kam eine gewisse Erhitzung, die nicht nur von der großen Hitze draußen herrührte, sondern etwas mit diesem rasenden Schreiben zu tun haben musste. Ich bestellte einen zweiten Eistee und trank das Glas gleich halbleer, ich war noch immer der einzige Gast, der Kellner, der anscheinend auch der Besitzer war, fragte mich, ob ich zu Mittag essen wolle, ich tat, als müsste ich es mir noch überlegen. Während des Rundgangs habe ich nur auf sie geachtet, unbewusst, ich habe nicht einmal bemerkt, dass mir die gesamte Umgebung entging. Hat sie die Namen der Fische überhaupt einmal genannt? Hat sie zwischen all den Lebewesen, die sie mir vorstellte, überhäuft irgendeinen Zusammenhang hergestellt? Hat sie sich ein einziges Mal bemüht, mir zu erklären, mit welchen Methoden ihr Institut seiner Arbeit nachgeht? All diese Fragen muss ich verneinen, und wenn man sich darüber klar wird, könnte man annehmen, sie habe einen schlechten Vortrag gehalten. Natürlich hat sie das nicht, sie hat mir, ausgerechnet mir, von einem Faszinosum erzählt, als wollte sie mich einweihen in eine nur so zu umkreisende Magie. Darauf war ich nicht gefasst, seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten habe ich niemanden so sprechen hören, ich konnte nur noch schweigen, es war ja geradezu eine Wohltat, schweigen und an diesem Zauber teilnehmen zu dürfen... Ah wir ihr Büro wieder betraten, hörte das auf, sie sprach von Dottore Alberti, sie schob die Sache auf ein anderes Gleis, auf das Gleis meines Films und der lehrreichen Art, von der ich unvorsichtigerweise geredet hatte. Wahrscheinlich würde sie sich an einem derartigen Film nie beteiligen, das Meer ist für sie ein ganz anderes Thema, mit diesem abrupten Stimmungswechsel hat sie mich jetzt zurückgelassen, wahrscheinlich ahnt sie nicht einmal, wie bewusst er mir ist. Den Film, der mir vorschwebte, werde ich jedenfalls nicht drehen, jetzt kommt mir mein Vorhaben beinahe albern vor, albern wie die meisten meiner vielen anderen Filme, die alle den Regeln der lehrreichen Art gehorchten. Wie aber dann, was soll werden? Es gibt nur eine einzige Lösung für dieses Dilemma: Ich muss versuchen, sie zur Mitarbeit an diesem Film zu gewinnen... Ich atmete aus und schaute kurz auf die Uhr, es war nur noch eine halbe Stunde bis zum Mittagessen im Hotel, ich musste mich jetzt entscheiden. Ich lehnte mich etwas erschöpft zurück und trank das Glas leer, am liebsten hätte ich das Fernglas hervorgeholt, um nach ihr Ausschau zu halten. Vielleicht hatte sie ja doch bemerkt, dass ich ihrem Vorschlag gefolgt war, vielleicht hatte sie sich sogar vergewissert, ein kurzer Blick aus dem Fenster hätte genügt, schließlich saß ich in geradezu hervorgehobener Position auf diesem Platz hier. Ich warte auf sie, ja, tatsächlich, dachte ich, diese simple Entdeckung erschreckte mich plötzlich, soweit war es also schon mit mir gekommen, dass ich auf jemanden wartete, den ich erst einmal gesehen hatte und mit dem ich nicht verabredet war. Ich nahm mir die Speisekarte noch einmal vor und begann, darin zu blättern, ich schaute kurz auf und erkannte sie sofort. Sie kam aus dem Innenhof des Museums, sie schob ein Fahrrad neben sich her, schwang sich auf den Sattel und fuhr los, sie musste mich sehen, in wenigen Sekunden würde sie kaum hundert Meter von mir entfernt auftauchen. Mir wurde erneut heiß, es war ein regelrechter Hitzeschwall, ich wollte aufstehen, um im hinteren Teil der Bar zu verschwinden, jetzt empfand ich es als peinlich, von ihr hier gesehen und ertappt zu werden, ich dachte wirklich ertappt, obwohl so ein Wort keinen Sinn machte, schließlich war ich mir keiner Verfehlung bewusst. Sie kam näher und schaute hinüber, ich erstarrte beinahe, was sollte ich tun, aufstehen, auf sie zugehen, mich weiter in die Speisekarte vertiefen, sie erlöste mich, indem sie mir zuwinkte, sie winkte mit der erhobenen Rechten, nicht aufwendig und überdeutlich, sondern ganz leicht, es war nur ein angedeuteter Gruß, wie zu einem, den man lange kennt und mit dem einen ein gewisses Einverständnis verbindet. Dabei verlangsamte sie ihre Fahrt nicht, sie hatte mir nur ein Zeichen gegeben, und ich hatte für einen kurzen Moment ebenfalls die Hand gehoben, als käme ich so endlich frei. Sie war schnell vorüber, sie bog in eine Seitenstraße ein, ich atmete wieder durch, legte die Speisekarte beiseite und stand sofort auf, für diese Stunde ist es vorbei, dachte ich, ich bin dem Zauber noch einmal entkommen. |