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в ответ regrem 17.02.16 17:53, Последний раз изменено 22.02.16 13:21 (regrem)
ICH TRAF eine Viertelstunde vor Abfahrt des Zuges im Bahnhof ein, sie wartete bereits in der Vorhalle. Sie trug noch immer das weiße Kleid mit dem blauen Gürtel, dazu eine schwarze Umhängetasche, unter den linken Arm hatte sie zwei Zeitungen geklemmt. Wie am Morgen kam sie sehr rasch auf mich zu, und wie am Morgen sagte sie: da bist Du, sie hatte wieder dieses Beflügelte, beinahe Rauschhafte, sie hielt keinen Augenblick inne, sondern lief mit mir die Treppen hinunter und wieder hinauf auf den Bahnsteig, wo sie leicht ungeduldig begann, die Zeitungen in die schwarze Tasche zu stecken. Als der Zug einfuhr, ging sie an ihm einige Schritte in Fahrtrichtung entlang, wir stiegen ein, wir setzten uns einander gegenüber in ein leeres Abteil, sie legte die Tasche zur Seite und schaute gleich hinaus aus dem Fenster. Der Zug setzte sich in Bewegung, er fuhr sehr langsam am Meer entlang, sie sprach von den kleinen Stranden und den Auflagen, die den Besitzern gemacht worden waren, Größe, Instandhaltung, Pflege, alles war seit einigen Jahren genau geregelt. Sieh Dir das an! rief sie ab und zu, und manchmal nur: schau!, sie wollte, dass auch ich genau die Bilder bemerkte, die sie gerade wahrnahm, ich schaute zusammen mit ihr hinaus, ich rückte näher heran an das Fenster, dabei hätte ich mich viel lieber zurückgelehnt, um nur sie zu betrachten. Sie hatte die langen Beine wieder übereinander-geschlagen, in den leichten Schuhen wirkten ihre Füße sehnig und schmal, manchmal fuhr sie sich mit der Rechten durchs Haar und warf es nach hinten, dann glitt ihre Hand über das Knie, das ganze Schienbein hinab beinahe bis zu den Schuhen, es war eine wiederholt vorkommende Geste, die eine gewisse Anspannung verriet. Nach kaum zwanzig Minuten Fahrt stiegen wir aus, es gab keinen Bahnhof, sondern nur einen Halt, wir überquerten die Bahngleise und erreichten sofort den Strand. Schon von weitem sah man die kleine Forschungsgruppe, sie erklärte mir, dass es sich um Studenten handelte, um eine bunt zusammengewürfelte Gruppe aus mehreren Universitäten, die Leiterin war eine junge, schmächtige Frau, die auf uns zukam, als sie uns erkannte. Wir begrüßten uns, die Frauen sprachen eine Weile miteinander, ich setzte mich auf einen Felsen und filmte die Gruppe aus der Distanz, bis Franca zu mir kam und mich näher heranführte. Sie sprach leise mit mir, sie raunte mir ihre Kommentare beinahe zu, wir umkreisten die Gruppe, von der kaum einer aufschaute. Ich begriff, dass es zum einen um die Untersuchung der Artenvielfalt in einem markierten Strandstück ging, von »Organismen« war immer wieder die Rede, sie wurden mit einer chemischen Lösung betäubt und aus dem feuchten Sand geschlämmt, sie schwebten in sehr dünnen Netzen, wo sie mit winzigen, haarfeinen Pipetten aufgenommen wurden, es handelte sich um Wimpertierchen und Strudelwürmer, am besten gefiel mir das Wort »Kleinturbellarien«, mit bloßem Auge waren all diese Lebewesen kaum zu erkennen. Landeinwärts aber war ein kleines Zelt aufgeschlagen, Franca führte mich hin, wir duckten uns in die beinahe tropische Schwüle, auf einem großen Tisch waren drei oder vier Mikroskope aufgebaut, ich hatte so etwas erwartet, Mikroskope entsprachen genau meiner Vorstellung von dem, was hier vor sich ging. Als ich durch eines von ihnen schaute, musste ich beinahe grinsen, denn vor meinen Augen bewegten sich in gleichmäßigen rhythmischen Zuckungen jetzt große, obszöne Gebilde mit darmartigen Windungen, sie wanderten unaufhörlich durch das Bild, ließen den Wimpernpelz zittern, rollten sich zu einer Spirale zusammen oder streckten die kleinen Saugnäpfe der Füße weit von sich. Wir gingen wieder hinaus, Franca sprach ununterbrochen, sie beschrieb, welche Schlüsse man aus dem Vorhandensein welcher Art ziehen konnte, anscheinend qualifizierten sich die Strände durch eine bestimmte Zusammensetzung all diesen Gewürms. Weiter abseits aber steckten in kurzen, regelmäßigen Abständen lange Stangen mit roten Fähnchen wie Stangen einer Skipiste im Sand, Franca hatte eine Zeichnung zur Hand, auf der die zylindrischen Geräte in der Tiefe, die ein Kabel miteinander verband, zu erkennen waren, ich erfuhr, dass mit Hilfe dieser Apparaturen die Geschwindigkeiten der Strömung gemessen wurden, genaue Ergebnisse erforderten allerdings eine Geduld von einigen Wochen. Am meisten aber gefielen mir die Ablagestellen der Fundstücke, sie waren auf großen, feinmaschigen Sieben zum Trocknen gelagert, Franca zeigte mir Pilz- und Fächerkorallen, Möveneier, Schnecken und Seeigel, einige besonders schöne Muscheln mit schmalen, gezähnten, längs verlaufenden Schlitzen hatten einen beinahe lackartigen Glanz, ich ging mit der Kamera so nahe heran, dass nur noch ihre Muster zu erkennen waren. Zum Schluss des Rundgangs erhielt ich eine Mappe mit Unterlagen, Franca bat mich zu fragen, wenn ich bestimmte italienische Worte nicht sofort verstand, ich sagte ihr, dass ich versuchen werde, die Texte in Ruhe zu lesen, sie lächelte mir zu und ging dann wieder hinüber zur Gruppe, die mit einer Art hartnäckiger, stummer Passion vor sich hin arbeitete. Ich setzte mich auf einen kleinen Schemel neben einem größeren, stark bemoosten Felsen, ich gab mir Mühe, in den Texten zu lesen, und begann, sie Seite für Seite vorzunehmen, sie waren nicht schwer zu verstehen, ich empfand sie aber als eintönig, die haarspalterisch dargestellten Details der Experimente interessierten mich nicht, mir ging es ausschließlich um die Schönheit der Fundstücke, für den lackartigen Glanz einiger Muscheln hätte ich sofort sämtliche zylindrischen Strömungsmesser hergegeben. Während ich blätterte, beobachtete ich von Zeit zu Zeit die Arbeit der Gruppe, die junge Leiterin hatte sich schon bald nach unserem Erscheinen wieder unter die Arbeitenden gemischt, die meisten knieten auf dem Boden, ein wenig ähnelten sie einer steinzeitlichen Horde, der die Nahrungsmittel ausgegangen waren und die verbissen nach neuen suchten. Franca hatte sich seitwärts zu der Linie der roten Fähnchen begeben, sie kontrollierte anscheinend die Messergebnisse, mit einem Stift fuhr sie über die Blätter eines kleinen, handlichen Ordners, ich stellte mir lauter Tabellen mit Verweisen auf seltsame Gleichungen vor, ich hatte nicht geahnt, welchen Aufwand man mit dem Luxus der Verschiedenheit von Meer und Land treiben konnte. Mit der Zeit bekamen die Seiten, die ich in Händen hielt, jedoch etwas Fades, all die Bärtierchen und Gastrotrichen hatten zwar etwas Kurioses, aber auch Einfältiges, ich nahm mein Notizbuch hervor und wollte mich zwingen, die Untersuchungen kurz festzuhalten, aber ein starker Widerstand regte sich in mir. Ich schlug das Notizbuch auf, ich blickte hinüber zu der den Strand verlesenden Gruppe, ich schaute zu Franca, die sich in die Tabellen vertieft hatte, wahrscheinlich nahmen jetzt alle an, dass auch ich mich mit den Forschungen beschäftigte und erregt lauter Details notierte. Ich nahm jedoch meinen Stift und schrieb weiter, als säße ich noch immer in dem kleinen Ecklokal nahe am Markt von San Benedetto, noch immer hatte ich den Geschmack der Frittura im Mund, es war eine gute Frittura mit einer hauchdünnen, hellen Panierschicht gewesen, ich hätte etwas darum gegeben, jetzt eines von den Gläsern Wein trinken zu können, die dazu serviert worden waren: Diese Fahrt hier hinaus ist unsere erste kleine gemeinsame Reise, mir kommt es so vor, als werde auf dieser Reise etwas geschehen, ja, als stehe ein bestimmtes Ereignis unmittelbar bevor. Das alles versetzte mich schon im Zug in eine starke Anspannung, ich war unruhig, und ich bin es noch, jetzt, wo ich sie aus der Ferne bei ihren Arbeiten am Strand beobachte. Kurz erinnerte ich mich auch noch einmal an Gianni Alberti und daran, dass er sich zur selben Zeit auf dem Weg nach Ancona befand, vor Sonntagabend wird er, wie ich seit unserer Begegnung weiß, nicht zurück sein. Ich denke laufend daran, dass sie also nun mehrere Tage allein ist, denn ich glaube nicht, dass sie ihm nach Ancona folgt. Glückliche Umstände, dachte ich im Zu? immer wieder, immer wieder venau diese Wendune: glückliche Umstände ..., ah wollte ich mich nötigen. Albertis Abwesenheit so gut wie möglich zu nutzen. Ich ahne, dass ein Moment kommen wird, der über die konkrete Gestaltung dieser glücklichen Umstände entscheidet, ich werde darauf achten und Francafür ein längeres Zusammensein zu gewinnen versuchen ... Manchmal denke ich, dass ich noch viel zu zurückhaltend bin, Zurückhaltung ist sonst gar nicht meine Art, aber in diesem Fall bin ich vorsichtig, weil ich auch von ihrer Seite noch keine eindeutigen Zeichen bekam. Als sie beim Frühstück meine Hand nahm, dachte ich, es handle sich um ein solches Zeichen, war mir danach aber nicht mehr völlig sicher, wie auch immer, die nächste Gelegenheit muss ich nutzen, ich darf nicht länger zurückschrecken ... Ich bin hingerissen von ihren Bewegungen, von ihren schnellen und präzisen Kommentaren, sie hat überhaupt nichts Verstocktes und nicht einmal eine Spur von langsamer Schwere, statt dessen gibt es nur ein >Voran<, ein Sich-Umschauen, Wahrnehmen, Begreifen, sie besitzt eine so grenzenlose Neugier und Lebenslust, dass es einen mitreißt ... Ich notiere dies hier, ohne dass sie weiß, was ich tue, dabei ist sie kaum zwanzig Meter von mir entfernt. Sie beugt sich immer wieder zum Boden, sie fährt mit der offenen Hand über die Sandflächen oder presst sie sekundenlang auf eine Stelle, wie eine Ärztin, die einen Patienten abtastet. Manchmal steht sie eine Weile still in der Gischt der auslaufenden Wellen, die Hände in die Hüften gestützt, den Kopf zum Boden gesenkt, als beobachtete sie den Strömungsverlauf an ihren bloßen Füßen. Der untere Saum ihres weißen Kleides ist längst nass, zweimal schon hat sie ihn mit einer kurzen Bewegung ausgewrungen, ich hielt den Atem an, ah ich sah, wie sie das Kleid zur Seite hin anhob ... Als sie sich umdrehte und auf mich zukam, holte ich rasch ihre Unterlagen hervor und markierte mit meinem Stift einen Absatz. Was notierst Du denn alles, fragte sie, Du hörst ja gar nicht mehr auf!, ich erklärte ihr, dass ich bereits dabei sei, für den Film etwas zu texten, texten, wiederholte sie, nennt man das bei Euch so, texten?, ja, sagte ich, ich texte, Du textest, wir texten, ich texte meist schon am Drehort, vor den Dreharbeiten oder während sie ablaufen, was Du mir eben zum Beispiel erklärt hast, bringe ich schon in einer Woche nicht mehr zusammen. Habe ich gut getextet? fragte sie, sehr gut, sagte ich, präzise, anschaulich, einfach, Deine Texte sind ein Genuss, ist das Dein Ernst, fragte sie, und ich sah, dass sie wirklich erstaunt war, ja, sagte ich, mein völliger Ernst, aber hat Dir noch keiner gesagt, wie gut Du erklärst? Nein, sagte sie, keiner. Sie schaute mich einen Moment beinahe nachdenklich an, dann gab sie sich einen Ruck und sagte, gehen wir noch etwas am Meer entlang, die Gruppe ist gleich fertig für heute, ich habe aber keine Lust, mit ihr zurück nach San Benedetto zu fahren, nichts lieber als das, antwortete ich, ich habe jetzt lange genug hier gesessen. Die Gruppe beendete ihre Arbeit und räumte einige Geräte ins Zelt, wir verabschiedeten uns und machten uns auf den Weg, wir machen uns auf den Weg, dachte ich wirklich, ich hatte das Gefühl, als bahnte sich nun etwas an, ich spürte es daran, wie wir uns auf den Weg machten, es hatte etwas Entschlossenes, Endgültiges und wirkte auf mich so, als wollten wir gar nicht mehr zurück. Während wir am Strand entlanggingen, bückte sie sich immer wieder, sie hob etwas auf und zeigte es mir, ihr ganzer Instinkt war noch von ihrem Forschungsinteresse besetzt, sie hatte eine enorme Fähigkeit, etwas zu entdecken, mir jedenfalls fiel kaum etwas auf, sie aber filterte anscheinend aus den blassen Strandbildern lauter Details, sie erkannte Spuren von Möven, Reihern und sogar Kormoranen, sie las die seltsamsten Muscheln auf, die sich im Geröll der Kiesel versteckten, wie machst Du das bloß? fragte ich, ich erkenne nicht mal die Hälfte der Fundstücke, die Du jetzt aufliest, ich habe eine jahrelange Übung darin, antwortete sie, vielleicht ist aber auch mein Farbsinn stärker entwickelt, ich reagiere auf Farben nämlich besonders empfindlich, wir haben das sogar im Institut einmal getestet, die Werte waren unglaublich. Wir gingen immer weiter, es dämmerte schon, ich wagte nicht zu fragen, wohin der Weg führte oder ob sie ein bestimmtes Ziel vor Augen hatte. Wir befanden uns längst in einer Gegend, die auf mich vollkommen entlegen wirkte, der Strand war felsig geworden, so dass wir nur langsam vorankamen, dann erreichten wir menschenleere, verwaiste Strandflächen mit hohen, wie entrückt im Wind schaukelnden Gräsern, dichte Bestände von Stranddisteln mussten wir überwinden, wir tanzten zwischen den Pflanzen hindurch und scheuchten Scharen von Seeschwalben auf, die kreischend landeinwärts flogen. Wir sprachen nicht mehr miteinander, manchmal gingen wir wegen des beschwerlichen Wegs auch in großer Distanz, ich fragte mich, was sie vorhatte, sie ließ sich nichts anmerken, sondern ging, ohne sich auch nur einmal umzudrehen, voraus, als wüsste sie genau, wohin es gehen sollte. Endlich gelangten wir in eine kleine Bucht, dort steckte ein längst zerborstenes Boot noch im Sand, daneben stand eine einzelne Umkleidekabine aus Holz, ich ging hin und öffnete die Tür, alles wirkte intakt, nur dass das bleiche Holz sich gegen die grüne Farbe durchgesetzt hatte, ein paar schwache Grünspuren waren auf der kleinen Bank gerade noch zu erkennen, sonst war das Holz blass und grau, als habe das Meer es immer wieder bespült. Ich wollte die Tür wieder schließen, als sie an mir vorbei hineinschlüpfte, komm! sagte sie, komm!, ich folgte ihr, wir zogen die Tür von innen zu, sie zog ihr weißes Kleid sofort aus, sie zog es über den Kopf und warf es beiseite, sie entledigte sich mit einigen Handgriffen aller Kleidung, komm! sagte sie immer wieder, ihre starke Erregung übertrug sich auf mich, wie in Trance begann ich, mich ebenfalls zu entkleiden, ich spürte förmlich, wie die Enge des Raums die Sehnsucht der beiden Körper verstärkte. Ich zog sie an mich, wir schmiegten uns eng aneinander, ich hörte, wie sie tief ausatmete, und auch ich begann, tief, aber gleichmäßig zu atmen, langsam, allmählich fanden diese Rhythmen zusammen, dann atmeten wir in einem Rhythmus, wir bewegten uns nicht, wir standen vollkommen still und hielten uns eng umschlungen, es war wie eine Erlösung. Ich schloss die Augen, ich hörte die nahen Wellen, durch eine kreisrunde Öffnung in der Hinterwand der Kabine drang etwas Wind in den Raum, wir standen bewegungslos, minutenlang wie ineinander verwachsen, dann küsste ich ihre Stirn, die Schläfen, den Mund, unsere Lippen trafen ganz weich aufeinander und öffneten sich fast zugleich, ich machte einen kleinen Schritt zurück zur Bank und setzte mich, ich zog sie zu mir, sie setzte sich auf meinen Schoß und stemmte sich mit den Füßen vom Boden ab, ich spürte, wie sie langsam auf mich sank, es war eine einzige, stille Bewegung, als fiele ein Tuch, sich langsam im Wind drehend, zur Erde, ich sah ihr Gesicht über mir, sie hatte die Augen geschlossen, ich hatte das Gefühl, als stehe die Zeit plötzlich still und als entfernten sich unsere beiden Körper in dieser Kapsel nun in die Tiefe, ich hielt sie fest, ich umschlang sie mit meinen Armen, ich hörte, wie sich ihre Atmung beschleunigte, wie schlank sie ist, dachte ich noch, und wie leicht, dann bewegten sich unsere Körper allmählich schneller, ich schloss wieder die Augen, wir trieben davon, ich sah uns als Paar und wie das Paar-Bild abtauchte, langsam drehten wir uns in der Tiefe des Meeres, keine Geräusche mehr, wir sanken, nur noch das Dunkel, die Nacht. |