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Почитаем?

17.02.16 18:35
Re: Почитаем?
 
regrem патриот
в ответ regrem 17.02.16 17:53, Последний раз изменено 14.03.16 12:19 (regrem)
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AM FRÜHEN Nachmittag fuhren wir zurück, wir waren sehr schweigsam, in der Nähe von Ascoli bogen wir auf ein kurzes Autobahnstück zur Küste hinein, wir wollten jetzt nicht mehr langsam fahren, sondern rasch wieder ans Meer gelangen. Wir werden uns heute Abend nicht sehen, sagte sie, nein, erwiderte ich, ich werde den Abend allein verbringen, es ist der vorletzte. Ich weiß, sagte sie, jetzt läuft uns die Zeit davon, in zwei Tagen werde ich allein mit dem Fahrrad ins Institut fahren, und Du wirst auf dem Weg nach München sein. Ich habe es den ganzen Tag vermieden, darauf zu sprechen zu kommen, sagte ich, ich werde Dir morgen Abend sagen, was ich mir überlegt habe, antwortete sie, morgen Abend, nicht heute, ich möchte erst mit meinem Vater darüber sprechen. Brauchst Du seinen Rat? fragte ich, nein, sagte sie, ich will ihm nur erzählen, was ich vorhabe, ihm als erstem, ich muss es ihm erzählt haben, um ganz sicher zu sein. Und wenn er Dir widerspricht? fragte ich, er wird mir nicht widersprechen, sagte sie, ich erzähle ihm die Zukunft wie eine Geschichte, die längst begonnen hat. Wo werdet ihr zum Essen hingehen? fragte ich, vielleicht ist es besser, wenn ich es weiß, damit ich Euch nicht über den Weg laufe. Neben meiner Wohnung ist ein kleines Lokal, sagte sie, dort essen wir oft, es ist eine ganz einfache Trattoria, wir wollen uns in Ruhe unterhalten, das Essen ist nicht von großer Bedeutung. Ich weiß nicht, wo Du wohnst, sagte ich, ich weiß es wirklich nicht, Gianni Alberti wollte nicht glauben, dass ich es nicht weiß, er sagte, er habe zu hören bekommen, ich sei schon in Deiner Wohnung gewesen. Morgen Abend bist Du aber wirklich dort, ja? fragte sie, den letzten Abend übernachtest Du bei mir, ja, Dottoressa, sagte ich, den letzten Abend verbringen wir zusammen in Ihrer Wohnung.
Wir verabredeten, am nächsten Morgen zu einer bestimmten Zeit miteinander zu telefonieren, sie gab mir eine Visitenkarte mit der Adresse ihrer Wohnung, dann setzte sie mich in der Nähe meines Hotels ab. Ich überlegte, ob ich an den Strand gehen sollte, ich hatte plötzlich mit einer penetranten Melancholie zu kämpfen, dann ging ich aber nur zu der kleinen Strandbar und bestellte mir dort einen Kaffee. Das sonntägliche Strandleben war im Gang, ich wollte es mir nicht anschauen, ich trank den Kaffee rasch aus, als ich Antonio, den Museumswärter, erkannte, der sich in gar nicht weiter Entfernung anscheinend mit einem Bekannten unterhielt. Ich schaute noch etwas länger hin, es war ein unverfängliches, harmloses Bild, und doch kam es mir so vor, als stehe er hier, um auf mich zu warten und meine Ankunft zu melden. Ich bestellte noch ein Glas Wasser, ich tat so, als wäre ich vollkommen gelassen und genieße ein paar harmlose Freuden, dann schlenderte ich über den Boulevard hinüber zu meinem Hotel.
Als ich mich umdrehte, war Antonio nicht mehr zu sehen, einen Moment spürte ich so etwas wie Panik, vielleicht bildete ich mir alles nur ein, vielleicht hatte es aber auch etwas zu bedeuten, ich eilte durch das Foyer, ich hatte keine Lust, Carlo zu begegnen und ihn mit Geschichten zu unterhalten, daher war ich erleichtert, als ich bemerkte, dass die Hotelrezeption nicht besetzt war. Ich ging hinauf zu meinem Zimmer, als ich die Tür aufschloss, quoll mir der Fäulnisgeruch der immer noch auf dem Teller liegenden Feigen entgegen, sie hatten schon zu gären begonnen, ihre Haut war geplatzt, der dicke Saft sickerte wie Sirup heraus und bildete eine glänzende Lache. Ich ging ins Bad und schaute kurz in den Spiegel, ich erkannte mich beinahe nicht wieder, so braun war ich geworden, es war eine dunkle, kräftige Bräune, ich beschloss, mich sofort zu rasieren, ich trank noch mehr Wasser, langsam wurde ich wieder ruhiger, auch der Anfall von Melancholie war vorüber. Ich legte mich auf das Bett und starrte an die Decke, unter ihr war ein kleiner Fernseher angebracht, er erinnerte mich an die Arbeit, ich wollte zumindest den morgigen Vormittag noch für Recherchen im Hafengebiet nutzen, dann rief ich die Rezeption an und fragte, ob ich im Hotel zu Abend essen könne. Sind Sie es? hörte ich Carlo fragen, sind Sie es wirklich?, ja, sagte ich, ich erzähle Ihnen alles Nähere später, gehen Sie heute Abend nicht aus, ohne mit mir gesprochen zu haben, sagte er, ich habe mir schon überlegt, ob ich Ihnen ein anderes Hotelzimmer geben soll, was soll denn der Unsinn? sagte ich, Sie sind in Gefahr, sagte er, Sie ahnen nicht, wie sehr Sie in Gefahr sind. Ich möchte bei Ihnen zu Abend essen, sagte ich, ist das nun möglich, oder ist es das nicht? Wir erwarten Sie in genau einer Stunde, es ist uns eine Ehre, sagte er, gut, antwortete ich, ich bin pünktlich.
Ich rasierte und duschte mich, ich packte meinen Rucksack aus und legte die Geräte auf einen Tisch, dann holte ich mein schwarzes Notizbuch hervor, setzte mich auf den Balkon, betrachtete noch eine Weile die frühabendlichen Farben des Meeres und schrieb: Ich habe alle Lust an den theatralischen, geselligen Orten verloren, am liebsten wäre ich nur mit ihr allein, so wie am gestrigen Abend, ah uns alles zu viel war, das Geschwätz auf den Straßen, die Musik, das unaufhörliche Ziehen von einem Ort der Unterhaltung zum anderen. Das Alleinsein, das Flüstern, das Bett, die Liebe - und die anderen weit draußen, in ihrem albernen jenseits von weitschweifigen Gesprächen ... Leider aber ist sie heute Abend für mich unerreichbar, ich kann ihr keinen Vorwurf machen, sie trifft sich mit ihrem Vater und. beherbergt ihn
für eine Nacht, trotzdem bin ich enttäuscht, denn die Zeit ist sehr kostbar geworden. Ich habe keine Ahnung, wie ich diesen Abend allein verbringen könnte, ohne sie bin ich vollkommen lustlos und leer, jetzt, wo ich sie nicht in meiner Nähe spüre, fühle ich mich abgetrennt, reglos, eine herumzappelnde, amorphe Gestalt wie die Kleinturbellarien und Sand Hüpfer, die ich unter dem Mikroskop sah. Soll ich ausgehen? Ich wüsste nicht, wohin, soll ich mich noch einmal unter die abendlichen Flaneure mischen oder mich mittreiben lassen in der passeggiata? Ich will versuchen, diesen Abend zu überstehen, vielleicht werde ich mich in den Schlaf flüchten, um die Unwirklichkeit der Verhältnisse ringsum nicht laufend spüren und ertragen zu müssen. Am liebsten schriebe ich ihr einen Brief, Liebe, ich denke an Dich, ich würde ihr vom Alleinsein erzählen und der darin aufkeimenden Sehnsucht, mit jedem Satz aber würde ich nur die Litanei der Beschwörung fortsetzen, wie ich sie auf den grauen Mauern des entrückten Ortes gesehen habe: Liebe, ich denke an Dich ..., Liebe, ich denke an Dich ..., sarazenischer Hymnus, piano grande.

 

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