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02.08.08 21:05
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Ralph Acampora - US-Börsenguru
von Andreas Schwarzhaupt, Technical Investor, 18.06.2001, 1503 Zugriffe
Ralph Acampora ist einer der bekanntesten amerikanischen Börsengurus. Seit 1990 leitet er den Bereich Technische Analyse bei der US-Investmentbank Prudential Securities. Acampora tritt zudem als regelmässiger Kommentator bei CNBC, CNN-FN und Wall Street Week auf. Auch überregionale Wirtschaftszeitungen wie das Wall Street Journal, Barron-s oder Business week suchen immer wieder seine Finanzexpertise. Über die Bedeutung der Technischen Analyse und den Einfluss auf die heutigen Märkte sprach Andreas Schwarzhaupt mit Ralph Acampora in New York.


In Deutschland hält sich hartnäckig die Meinung, Technische Analyse (TA) sei kompliziert und nur für wenige Spezialisten zugänglich. Ralph Acampora räumt kräftig auf mit diesem Vorurteil.
TI: Herr Acampora, ist Technische Analyse wirklich kompliziert?
RA: Im Gegenteil. Über die Jahre habe ich eine ganze Anzahl Seminare gegeben und festgestellt, dass TA sehr leicht zugänglich ist. Auch meine Fernsehauftritte bestätigen das. Innerhalb der fünf Minuten vor der laufenden Kamera kann man gar nicht komplizierte Sachverhalte erklären. Und ich musste feststellen, dass sich dadurch sogar meine eigene Arbeitweise vereinfachte.
TI: Wie das?
RA: In meiner täglichen Arbeit verfolge ich die globalen Aktienmärkte, alle Branchen und eine große Anzahl einzelner Aktien. Wenn man so viele verschiedene Märkte beobachtet, hat man gar keine Zeit mehr, noch 50 Indikatoren zu verfolgen. Auch das zwang mich dazu, meine Arbeit so einfach und überschaubar wie möglich zu gestalten. Heute nutze ich vielleicht nur noch ein halbes Dutzend Indikatoren. Und wissen Sie was? Meine Ergebnisse verbesserten sich enorm. Das A und O der Technischen Analyse ist doch, Trends herauszuarbeiten. Jeden Tag stelle ich mir die Frage immer wieder aufs Neue: Wo verläuft der Trend, und was versucht mir der Markt zu sagen?
TI: Welchen Rat geben Sie jemandem, der sich für TA zu interessieren beginnt?
RA: Ich sage immer wieder dasselbe: Halte es so einfach wie möglich. Chart-Werkzeuge wie Trendlinien, Unterstützungs- und Widerstandslinien, Doppel-Tops und Doppel-Bottoms oder Dreieck-Formationen bieten eine hervorragende Analysegrundlage. Ich bin ein großer Freund von gleitenden Durchschnitten. In den Aktienmärkten funktioniert der 50-Tage- und der 100-Tage Durchschnitt einfach wundervoll. Manchmal beobachte ich das Volumen.
TI: Sie legen wirklich an jeden Chart das Lineal an?
RA: Nicht ganz. Ich bin ein absoluter Anhänger der Ratio-Analyse. Das hört sich kompliziert an, ist es aber nicht. Ich vergleiche zwei Branchen und schaue, welche besser läuft und welche schlechter performt. Heute, mit den vielen Branchen-Indizes ist das auch kein Problem mehr. So dividiere ich einfach zum Beispiel den Auto-Branchenindex durch den Chemie-Branchenindex. Lässt sich daraus als eindeutiges Ergebnis herausarbeiten, dass beispielsweise die Chemiebranche besser performt als die Autobranche, dann schaue ich im zweiten Schritt, welche Aktien innerhalb dieser Branche zu den Gewinnern gehört. Dabei könnte es sein, dass ich Bleistift und Lineal an den Chart lege.
TI: Vergessen wir Lineal und Bleistift. Sind Computer hilfreich oder erschweren sie die tägliche Analysearbeit?
RA: Unter dem Strich sind Computer natürlich sehr hilfreich. Ich kann heute alles charten, was ich möchte. Diverse Softwareprogramme werten mir in Sekunden eine Unmenge von Daten aus. Welche Branchen laufen am besten? Über welchen Zeitraum? Welche Aktien laufen innerhalb der Branche am besten? Diese Informationszusammenstellung und -komprimierung ist unheimlich hilfreich, weil man sich dann auf das Wesentliche konzentrieren kann. Ein immenser Vorteil in der ständig zunehmenden Datenflut.
TI: Und die Nachteile?
RA: Deren gibt es zwei. Zum einen gibt der Computer dem Anwender die Möglichkeit, die Daten auch zu missbrauchen. Mit Missbrauch meine ich, dass eine Unmenge von Zahlen in eine noch größere Anzahl von Formeln und Gleichungen gesteckt und die Parameter so lange optimiert werden, bis das Ergebnis zu stimmen scheint. Doch der Schein trügt. Einerseits ist sehr oft zu beobachten, dass ab einem gewissen Punkt selbst manch ein Programmierer nicht mehr den Überblick über alle Parameter und Formeln hat. Und andererseits: Wie soll dann erst ein einfacher Anleger das verstehen und nachvollziehen? Daraus entstand wohl auch das Vorurteil, TA sei kompliziert und nur für Spezialisten zugänglich.
Der andere Nachteil des Computers ist der, dass er dem Anwender eine so große Anzahl von Informationen zur Verfügung stellt, dass der schon ganz genau wissen muss, wonach er eigentlich sucht oder was er eigentlich benötigt. Der normale Anleger wird mit einer riesigen Datenmenge überschwemmt und der allererste Lernansatz ist zunächst einmal nicht, irgendwelche Charts richtig und kunstvoll zu analysieren, sondern die zu einer umfassenden und erfolgreichen Analyse nötigen Daten grundlegend zu sortieren. Deshalb bevorzuge ich den Branchenansatz, weil er gleichzeitig eine hervorragende Sortiermethode ist.
TI: Schauen Sie eigentlich noch auf fundamentale Daten?
RA: Kaum. Bei Einzelwerten verfolge ich die Gewinnmeldungen der Unternehmen. Wobei mich im besonderen die Gewinnüberraschungen interessieren und wie die Aktien darauf reagieren. Um einen Blick für das Gesamtbild zu bekommen, schaue ich mir hauptsächlich die Terminmärkte an. Was machen die Zinsen, der Dollar, der CRB-Index, das Gold oder das Öl? Diese Intermarket-Analyse gibt mir eine gute Vorstellung davon, wohin sich zum Beispiel die Inflation bewegt und wie das die Zinsen beeinflussen könnte, was wiederum natürlich auch großen Einfluss auf die Aktienmärkte hätte. Aber ich hole mir diese Informationen und Anregungen nicht aus irgendwelchen Statistiken, sondern lasse nur den Markt zu mir sprechen.
TI: Können Sie ein aktuelles Beispiel nennen?
RA: Der Dollar ist seit Monaten sehr stark. Und wenn dies der Fall ist, werden traditionell Small-Caps favorisiert. Ein starker Dollar bedeutet für die multinationalen Blue Chips, dass sich die Exporte verringern, da die Waren im Ausland zu teuer sind. Und mit Sicherheit können wir demnächst lesen, dass die Coca-Colas oder Procter & Gambles enttäuschende Zahlen melden. In der Branchen-Analyse sind diese Tendenzen schon bemerkbar.
So schaue ich mir zwar das große Bild an, beobachte die Bewegungen der fundamentalen Daten, doch der Ansatz ist der eines Technischen Analysten. Ich weiß nicht, zu was mich das jetzt macht. Ich finde auch das Wort "Technische Analyse" nicht sehr aussagekräftig, da es so erklärungsbedürftig ist. Vielleicht passt "Markt-Analyst" oder "visueller Analyst" besser zu mir. Ich finde es jedenfalls bemerkenswert, dass viele Börsianer, die behaupten, sie könnten mit der TA nichts anfangen, ständig auf Charts schauen.
TI: Verraten Sie uns ein paar Geheimnisse Ihrer guten Analyse-Methoden?
RA: Da muss ich kein großes Geheimnis darum machen. Überhaupt finde ich, dass manche Spezialisten ein viel zu großes Aufheben um ihre angeblich einzigartigen Tradingmethoden machen. Unter dem Strich kocht jeder nur mit Wasser. Zudem ist in den meisten Fällen so oder so die Methodik nicht eins zu eins auf einen anderen Anwender übertragbar. Letztendlich muss jeder selbst seinen Weg, seine Methode und sein eigenes Risikoprofil finden, um erfolgreich handeln zu können. Und auch ich lerne jeden Tag immer wieder etwas dazu, tausche mich mit Kollegen aus, um meine Wissensbasis zu verbreitern und vielleicht den ein oder anderen Trick in mein System einzuarbeiten.
Doch ich würde niemals komplett einen fremden Ansatz übernehmen und ihm blind vertrauen. Das funktioniert nicht und wird auch sicherlich nie funktionieren. Ich bin schon lange weg von selbst entwickelten, hochmathematischen und komplizierten Formeln, sondern beschränke mich in meiner Arbeit auf Standardindikatoren wie RSI, Stochastics oder den ADX. Sehr gerne mag ich den MACD und das MACD-Histogramm. Denn der MACD funktioniert sowohl als Überkauft-/Überverkauft- als auch als Trendfolge-Indikator. Das MACD-Histogramm zeigt mir zudem sehr schnell Wendepunkte im Markt an.
TI: Welchen Zeithorizont nutzen Sie für Ihre Analysen?
RA: Das ist zum Beispiel das Problem vieler Future-Händler. Sie nutzen einfach nur den Tages- und Intraday-Chart, bekommen ein Kaufsignal und wundern sich, dass es nicht funktioniert hat. Sie haben einfach vergessen, den Wochen-Chart mit in die Analyse einzubeziehen, der ein klares Verkaufssignal generiert hatte. Der Wochenchart ist immer wichtiger als der Tageschart. Future-Händler sind auf die kurzfristigen Charts fokussiert, weil bei ihnen das Timing noch mehr stimmen muss. Doch auch sie dürfen das große Bild, die Analyse, nicht aus den Augen verlieren. Mein Tipp: Welchen Indikator du auch immer benutzt, lass den Wochen-Chart über die Richtung entscheiden und nutze den Tageschart als Timing-Instrument für den Einstieg. Wenn zum Beispiel der Wochenchart ein Kaufsignal generiert, ignoriere alle Verkaufssignale im
Tageschart und handle nur die Kaufsignale.
TI: Was sagen Sie zur aktuellen Schwäche der Nasdaq?
RA: Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Schere zwischen den so genannten New Economy und den Old Economy Aktien wieder schließt. Dies ist zurzeit der Fall. Das schöne an der Technischen Analyse ist, dass ich diesen Trend fast bis zum Ende ausreiten konnte und mich die fundamentalen Auguren nicht weiter gestört haben. Auf Grund meines Branchenansatzes bekam ich jedoch frühzeitig Warnsignale, dass diese Hausse bald vorbei sein könnte. Branchen wie die Halbleiterindustrie knickten bereits vor dem Gesamtmarkt ein. Auf der anderen Seite flossen wieder vermehrt Fondsgelder in traditionelle Bereiche wie Energie, Öl oder Konsum. Zwar verpasste ich noch den letzten Schuss der Nasdaq auf neue Höhen, aber heute sitze ich ruhig auf einigen rentablen Traditionspapieren. Die können zwar mit den Kursgewinnen der High-Tech-Werte in der Vergangenheit nicht mithalten. Aber wer spricht davon noch in diesen trüben Börsentagen?
Doch der derzeitige Pessimismus bei vielen Anlegern stimmt mich persönlich wieder sehr optimistisch. Einige Branchen und New-Economy-Schwergewichte wie Yahoo, Cisco oder EMC2 haben bereits ihre Bodenbildung abgeschlossen. Noch warte ich weitere Signale ab. Denn Geduld, dies zum Abschluss, ist übrigens eine der wertvollsten Tugenden für den langfristigen Erfolg an der Börse.
TI: Herr Acampora, wir danken fürs Gespräch.
Quelle: Technical Investor Magazin Nr.1, Juni 2000, S. 24

 

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