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Kuriositäten

01.08.12 11:25
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Schicksal: Einsamer Tod in der alten Wäscherei
Joachim B. wohnte acht Jahre in Erdhöhle – jetzt hat er sich erhängt

(MAZ, 24.05.2011) BEELITZ-HEILSTÄTTEN - Der Mann, der acht Jahre lang in einer Erdhöhle in Beelitz-Heilstätten gelebt hat, ist vermutlich tot. Spaziergänger, die sich auf dem Gelände der ehemaligen Kliniken aufhielten, fanden den 59-Jährigen am Samstagabend erhängt in der ehemaligen Wäscherei. Laut Polizei liegt der Todeszeitpunkt vermutlich schon Wochen zurück. Anzeichen dafür, dass dem Mann Gewalt angetan wurde, gebe es nicht.
Anhand von Personaldokumenten gehen die Ermittler davon aus, dass es sich um den Obdachlosen handelt, der schon lange auf dem Ruinengelände hauste. Die Staatsanwaltschaft hat eine gerichtsmedizinische Untersuchung angeordnet, um die Identität des Toten zweifelsfrei klären zu können. Die Kripo Brandenburg hat die weiteren Ermittlungen übernommen.
Joachim B. war in Beelitz und Heilstätten bekannt, weil er häufig mit dem Fahrrad durch die Gegend fuhr, Supermärkte abklapperte oder etlichen Bürgern bei der Gartenarbeit half. Der ehemalige Fernfahrer für die Sowjetarmee schnitt Hecken und hatte stets Werkzeuge im Gepäck. Im Restaurant „Sechsertopp“ – heute heißt es unter neuem Betreiber „zum Pförtnerhaus“ – stellte er jahrelang Tische im Garten auf und erledigte Hilfsarbeiten. Dafür bekam er umsonst Essen und Kaffee. Allerdings lehnte er stets das Angebot ab, in kalten Nächten über der Schankstube zu nächtigen.
Stattdessen hatte Joachim B. sich im Wald am Bahnhof eine Betongrube unter der Erde, die früher offenbar zum Wasserleitungssystem der Heilstätten gehörte, zur Wohnung ausgebaut. Dort schlief er auf einer Matratze – niemand wusste, wo sich der Eingang befand. Bei Kälte heizte B. mit Teelichtern, von denen er am Tag bis zu 70 verbrannte.
In jüngster Zeit hatten einige Unterstützer – Stammgäste im Pförtnerhaus – sich um eine Wohnung, Sozialversicherung, eine Brille und einen Personalausweis für den Obdachlosen bemüht. Sie legten Geld zusammen und organisierten sogar den Mietvertrag für einen Bungalow in Fichtenwalde. Wenige Male tauchte B. dort auf. Vor gut fünf Wochen verschwand er. (Ulrich Wangemann)



Schicksal: Einsiedler lebte acht Jahre in Erdloch
60-Jähriger Aussteiger war auf dem Weg zurück ins geordnete Leben – jetzt ist er verschwunden

(MAZ, 11.05.2011) BEELITZ-HEILSTÄTTEN - Der Eingang zu der Erdhöhle ist nur mit Hilfe Ortskundiger zu finden. Nahe einem alten Armee-Gleis, in einer zum Wald zugewucherten Brache beim Bahnhof Heilstätten weist nur eine verknotete weiße Tüte den Abzweig ins Unterholz. Wenige Meter vom Weg entfernt liegt unter einer Trabi-Motorhaube die Grube, die ehemals zum Wassernetz von Heilstätten gehörte.
Drei rostige Tritte in der Betonwand führen in den drei mal drei Meter großen, etwa 2,80 Meter hohen Raum. Hier hat Joachim B. acht Jahre lang gehaust. Sand rieselt durch den Schacht in die muffige Stube. Dicke Rohrenden schauen aus der Wand. Ein unterirdisches Zelt aus Kunststoffplanen schützt eine Matratze vor Sickerwasser. Eine Reisetasche und ein Sammelsurium aus Tüten liegen her-um.
Beelitz hat acht Jahre lang in Heilstätten einen Einsiedler beherbergt – und einige Menschen wussten von dem Aussteiger. Ein Beelitzer Metzger bewirtete ihn, die Kassiererinnen der Supermärkte kennen den Waldmenschen.
Ein regelrechter Unterstützerkreis hatte sich für den 60-jährigen gelernten Landwirt gebildet. Das Herz der Bewegung pro Achim: Der Gasthof „Zum Pförtnerhaus“. An dessen Tresen saß der schweigsame Gast fast jeden Tag, trank weder Alkohol, noch rauchte er Zigaretten. Wirt Joachim Recla stellte ihm regelmäßig Speisen und Kaffee hin, dafür rückte der Mann aus dem Wald Tische im Biergarten und half aus. Köchin Judith Henßler schenkte dem Aussteiger Kleidung.
„Viele wussten, dass der Achim in einem Erdloch wohnte, doch keiner hat etwas unternommen“, sagt Wirt Recla. Das wollten er und ein paar Stammgäste ändern. Sie besorgten dem zwar langhaarigen, aber stets rasierten Waldbewohner Gartenjobs, steckten ihm hin und wieder ein Scheinchen zu und wollten ihn wieder ans Leben heranführen. Seit kurzem hatte Joachim B. sogar einen Personalausweis und bezog neuerdings Hartz IV – eine Sozialleistung, von deren Existenz er zuvor gar nichts wusste. Einen Mietvertrag für einen Bungalow in Fichtenwalde organisierten die Helfer. Ein paarmal fuhr Joachim B. mit seinem geliebten Fahrrad hin, aber der Vertrag platzte. Kurz darauf verschwand Joachim B. Sein Fahrrad steht seit Wochen an einem Baum angeschlossen im Wald. „Er lebte mit der Haltung: ,Ade, du beschissene Welt!’ Vielleicht haben wir uns zu sehr eingemischt“, sagt Wilfried Heyer aus Michendorf, Stammgast im „Pförtnerhaus“, dem ehemaligen „Sechsertopp“.
„Ich mache mir Sorgen“, äußert Hans-Dieter Nixdorf. Der Versicherungsmakler aus Busendorf hat noch im Ohr, wie der Aussteiger neulich sagte: „Einen weiteren Winter überlebe ich nicht – und wenn ich mich umbringe, wird mich niemand finden“.
Die Gelenke schmerzten dem mehrfachen Vater von den Jahren im Erdloch. Im Winter heizte der ehemalige Sowjetarmee-Fernfahrer mit 50 bis 70 Teelichtern pro Tag, die er von geschenktem Geld bei Aldi oder Edeka in Beelitz kaufte. Seine Augen waren schlecht – die Unterstützer machten einen Augenarzttermin mit ihm aus. Doch Achim ist weg – die Brille hat er nicht abgewartet.
Auch ohne Sehhilfe hat er sich jahrelang wie wohl kein Zweiter in dem unterirdischen Gangsystem im Untergrund der Heilstätten bewegt. „Wenn Sie Achim finden, können Sie ein Buch schreiben“, sagt Wilfried Heyer.
Was mag den Mann, der offenbar Kinder von mehreren Frauen hat und verheiratet sein soll, in die Einsamkeit getrieben haben? Eines seiner Kinder soll bei einem Unfall ums Leben gekommen sein, sagen seine Bekannten.
Bei der Polizei liegt nichts Gravierendes gegen den Verschwundenen vor, der jahrelang keine Meldeadresse hatte. Eine Vermisstensuche wurde noch nicht eingeleitet, heißt es bei der Polizei, weil sich ein freier Mann durchaus in der Welt bewegen dürfe, ohne dass nach ihm gefahndet wird. Die konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Mannes reichten nicht. (Von Ulrich Wangemann)
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